Die 7 Suenden
Schrecken überfiel Campion, während sich in seinem Hirn ein Verdacht herauskristallisierte. Er wandte den beiden den Rücken zu und sagte mit neutraler Stimme: »Ich schätze mal, den werde ich jetzt nicht mehr brauchen.« Umständlich verstaute er die Whiskey-Flasche wieder in der Vitrine, während er gleichzeitig mit der flachen Hand suchend das Regal abtastete.
»Wir müssen Sie fesseln, Sir, damit es aussieht wie ein Raubüberfall. Zu unserem eigenen Schutz«, sagte Pidge.
»Und Sie müssen Mrs. Campion hier runter holen«, fügte Hawk mit fester Stimme hinzu. »Sie wird auch hören wollen, was wir zu sagen haben.«
Campion wirbelte herum, richtete seine SIG auf Hawks Brustkorb und drückte ab. Peng .
Auf Hawks Miene zeigte sich Überraschung, während er an seinem rosafarbenen Hemd hinunterschaute und das Blut sah.
»Hey«, sagte Hawk.
Wussten diese Vollidioten denn nicht, dass ein Mann wie er überall eine Waffe versteckt hatte? Campion schoss noch einmal, und Hawk sackte auf die Knie. Er starrte zu dem alten Mann hinauf, erwiderte das Feuer und ließ den Spiegel über dem offenen Kamin in tausend Scherben zersplittern. Dann landete er mit dem Gesicht nach unten auf dem Teppich.
Schon beim ersten Schuss war Pidge wie angewurzelt stehen geblieben. Jetzt kreischte er: »Du Scheißer! Du verrückter, alter Scheißer! Sieh doch, was du angerichtet hast!«
Pidge stürzte rückwärts zur Zimmertür. Dort angelangt drehte er sich um und rannte zum Haus hinaus. Campion trat vor Hawk, trat ihm den Revolver aus der ausgestreckten
Hand, verlor dabei das Gleichgewicht, stürzte und schlug mit dem Kinn auf die Tischkante. Dann zog er sich am Tischbein wieder in die Senkrechte, stolperte in die Diele und drückte eine Taste an der Gegensprechanlage, die mit dem Häuschen des Hausmeisters verbunden war.
» Glen «, brüllte er. »Rufen Sie die 911 an. Ich habe einen Einbrecher erschossen!«
Als Campion schließlich den Gartenpfad erreicht hatte, war Pidge nicht mehr zu sehen. Der Hausmeister kam mit einem Gewehr in der Hand durch den Garten gelaufen, und Valentina stand mit weit aufgerissenen Augen in der Haustür und wollte wissen, was, in Gottes Namen, da gerade passiert war.
In den Nachbarhäusern gingen Lichter an, und der Wolfshund von nebenan bellte.
Aber weit und breit kein Lebenszeichen von Pidge.
Campion umklammerte den Knauf seiner Waffe und brüllte in die Dunkelheit: »Du hast meinen Sohn umgebracht, du dreckiger Mistkerl, stimmt’s? Du hast meinen Sohn umgebracht!«
102
Fünfzehn Minuten nach Jacobis Anruf war ich vor dem Haus der Campions angelangt. Eine ganze Herde Streifenwagen blockierte die Straße, und zwei Sanitäter polterten mit einer beladenen Tragebahre die Steinstufen herunter und dann weiter auf den Notarztwagen zu.
Ich trat neben die Bahre und schaute mir das Opfer so genau wie möglich an. Sein Gesicht wurde zur Hälfte von einer Sauerstoffmaske bedeckt, und sein Körper steckte vom Fuß bis zum Kinn unter einer Decke. Der junge Mann mochte vielleicht Anfang zwanzig sein, unter Umständen sogar noch darunter. Weiße Haut, sorgfältig gepflegtes, dunkelblondes Haar, zwischen eins fünfundsiebzig und eins achtzig groß.
Aber das Wichtigste: Er war am Leben.
»Wird er durchkommen?«, fragte ich eine der Sanitäterinnen.
Sie zuckte mit den Schultern und sagte: »Er hat zwei Kugeln abgekriegt, Sergeant, und’ne Menge Blut verloren.«
Im Inneren des Hauses befragten Jacobi und Conklin gerade den Exgouverneur und seine Frau Valentina, die gemeinsam auf dem Sofa saßen, Schulter an Schulter, die Hände ineinander verschränkt. Conklin warf mir einen Blick zu: Er wollte mir etwas sagen. Es dauerte ein paar Minuten, bis ich begriffen hatte, was.
Jacobi erzählte mir, was passiert war und dass wir noch nicht wussten, wer der Junge war, den Campion angeschossen hatte. Dann sagte er zum ehemaligen Gouverneur: »Sie haben gesagt, Sie könnten den zweiten jungen Mann identifizieren, Sir? Unserem Phantombildzeichner ein paar Hinweise geben?«
Campion nickte. »Auf jeden Fall. Das Gesicht werde ich mein ganzes Leben lang nicht mehr vergessen.«
Campion schien furchtbare Schmerzen zu leiden. Vor wenigen Minuten erst hatte er auf einen Menschen geschossen, und als er mich bat, auf dem Sessel neben dem Sofa Platz zu nehmen, da dachte ich, dass er darüber mit mir sprechen wollte. Aber ich hatte mich geirrt.
Campion sagte: »Michael wollte sein wie seine Freunde. Wollte ausgehen, sich
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