Die 7 Suenden
Alan Beam«, sagte Hartnett. »Er sitzt immer noch in seinem Wagen. Und dann
gibt es noch ein zweites Opfer, eine Frau. Sie lag neben dem Minivan auf dem Fußboden. Wir haben sie in einen Leichensack gesteckt, damit sie möglichst unversehrt bleibt. Davon abgesehen haben wir alles so gelassen, wie wir es vorgefunden haben.«
Hanni leuchtete mit seiner Taschenlampe in den Autokadaver, damit Conklin und ich die verbrannte Leiche auf dem Fahrersitz besser sehen konnten. Die Rückenlehne war zurückgeklappt. Quer über den Beinen des Opfers lag eine schwere Kette und auf seinem Schoß ein schmales Buch, direkt auf den rosafarbenen, aus dem Bauchraum hervorquellenden, voluminösen Darmwindungen.
Mir wurden die Knie weich.
Der Gestank nach verbranntem Fleisch und Benzin war überwältigend. Ich konnte das Schreien, das Flehen, das leise Zisch eines Streichholzes und Donnern des Feuers beinahe hören. Rich fragte, ob mit mir alles in Ordnung sei, und ich sagte ja. Aber ich dachte, dass das, was sich hier in den frühen Morgenstunden abgespielt hatte, der absolute Schrecken, das absolute Leid gewesen sein musste.
Dass es nichts weniger gewesen sein musste als die Hölle.
107
Frau Dr. Roach zog den Reißverschluss des Leichensacks zu und bat ihre Assistenten, das weibliche Opfer zum Wagen zu tragen. Sie war eine zierliche Frau Mitte vierzig, hatte die dicken, ergrauenden Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst und ihre Brille an einer Perlenkette um den Hals hängen.
»Sie hatte keinen Ausweis bei sich«, sagte sie jetzt. »Ich kann nur sagen, dass sie ziemlich jugendlich aussieht, wie ein Teenager.«
»Nicht Beams Frau?«
»Die Exfrau von Mr. Beam lebt in Oakland«, sagte der Sheriff und klappte sein Handy zu. »Sie müsste bald da sein.«
Hanni schilderte uns den genauen Hergang des Feuers.
»Es hat im Fahrgastraum angefangen«, sagte er. »Auf dem Rücksitz direkt hinter dem Fahrer hat jemand Papier und Holz aufgestapelt. Und das da ist eine Abschleppkette.« Er deutete auf die schweren Glieder quer über dem Schoß des Opfers.
Dann machte er uns auf eine Metallstange im Fußraum vor dem Fahrersitz aufmerksam und sagte, dass es sich um eine Lenkradverriegelung handelte, die mit der Kette verbunden und anschließend an der Lenksäule festgemacht worden war. Hanni war der Meinung, dass zunächst die Kette und das Schloss angebracht worden waren, bevor der Täter die Zeitungen und das Holz mit Benzin getränkt hatte.
»Dann wurden die Opfer vermutlich ebenfalls mit Benzin überschüttet und der Kanister hinter die Vordersitze gezwängt …«
»Tut mir leid, Leute, aber ich muss jetzt endlich mal
anfangen, den Tatort zu untersuchen«, sagte Hartnett und klappte seinen Werkzeugkoffer auf. »Sonst rückt mir der Chef auf die Pelle.«
»Könnten Sie vielleicht noch eine Minute warten, bitte?«, bat ich den Brandursachenermittler. Ich ließ mir von Hanni einen Stift geben, streckte die Hand ins Innere des Minivans und klappte mit Hilfe des Stiftes und während Hanni mir über die Schulter leuchtete das Buch auf, das in Alan Beams Schoß lag.
Welche Nachricht mochte Pidge uns wohl hinterlassen haben?
Den üblichen Glückskeks-Schwachsinn?
Oder war er jetzt gereizt? Würde er einen Fehler begehen und uns etwas mehr über sich verraten? Ich starrte auf das Titelblatt, konnte aber nichts weiter entdecken als die gedruckten Worte DAS NEUE TESTAMENT . Das war alles. Kein lateinisches Gekritzel, nicht einmal ein Name. Ich wollte mich gerade wieder zurückziehen, das sagte Rich: »Lindsay, schau mal.«
Also schaute ich noch einmal hin und nahm jetzt auch das verkohlte Bändchen wahr, das zwischen den Seiten hervorlugte. Erneut nahm ich den Stift zu Hilfe und schlug die Bibel an der markierten Stelle auf. Matthäus 3,11.
Ein paar mit Tinte unterstrichene Textzeilen.
Fast berührte meine Wange die dürren, nackten Knochen des Brandopfers, während ich die markierte Stelle laut vorlas.
»Ich taufe euch nur mit Wasser zum Zeichen der Umkehr. Der aber, der nach mir kommt, ist stärker als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe auszuziehen. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.«
108
Conklin sagte knurrend: »Reinigung durch Feuer. Das ist ein zentrales biblisches Thema.«
Genau in diesem Augenblick ging die Garagentür hinter uns auf. Als ich mich umdrehte, sah ich eine schick gekleidete Frau zwischen vierzig und fünfzig dort stehen. Sie trug einen Businessanzug und wurde von hinten
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