Die 7 Suenden
bei ihm war.
»Joe, ich war die ganze Nacht im Krankenhaus...«
»Jacobi hat mir Bescheid gesagt. Hätte ich heute Morgen keine Fußspuren auf dem Duschvorleger entdeckt, ich hätte nicht einmal gewusst, dass du zu Hause gewesen bist.«
»Du hast noch geschlafen, Joe, und ich hatte nur ein paar Minuten Zeit. Und außerdem: Steht das in der Hausordnung, dass ich mich anmelden muss?«
»Du nennst es Anmeldung. Ich nenne es Rücksichtnahme. Rücksichtnahme auf mich und darauf, dass ich mir möglicherweise Sorgen mache. Um dich .«
Ich hatte ihn nicht angerufen. Warum hatte ich ihn nicht angerufen?
»Ich trinke Merlot«, sagte er.
Joe und ich hatten nur selten Streit, und so langsam stellte sich bei mir das Gefühl ein, dass ich im Unrecht war.
»Es tut mir leid«, sagte ich. »Du hast voll und ganz Recht, Joe. Ich hätte dir Bescheid sagen müssen.« Ich trat zu ihm und legte ihm die Arme um die Hüften, aber er machte sich los.
»Keine Schäkereien, Blondie. Ich hab die Schnauze voll.«
Er reichte mir ein Weinglas, und ich nahm es in die Hand und sagte: »Joe, ich habe mich entschuldigt, und das meine ich auch absolut ernst!«
»Weißt du was?«, erwiderte er. Martha jaulte und trottete aus dem Zimmer. »Als ich noch in Washington gewohnt habe, haben wir uns öfter gesehen als jetzt.«
»Joe, das stimmt doch gar nicht.«
»Also, dann frage ich dich jetzt ganz direkt, Lindsay. Eine Frage. Und eine ehrliche Antwort.«
Ich dachte: Nein, bitte, frag mich nicht, ob ich dich wirklich heiraten will, bitte nicht. Ich bin noch nicht so weit. Dann blickte ich in den Sturm, der in Joes tiefblauen Augen tobte.
»Ich will wissen, was mit dir und Conklin los ist. Was läuft da zwischen euch?«
Ich war sprachlos.
»Du denkst, dass ich... Joe, das kannst du doch nicht ernsthaft glauben !«
»Hör zu. Ich habe euch eine Stunde lang zusammen erlebt. Ihr habt da eine ganz spezielle Kiste laufen, und erzähl mir ja nicht, ihr seid einfach nur Arbeitspartner.
Ich habe auch mal mit dir zusammengearbeitet, Lindsay«, fuhr Joe fort. »Wir waren Arbeitspartner. Und jetzt sind wir, was wir sind.«
Ich klappte den Mund auf und wieder zu, ohne dass ich ein Wort hervorbrachte. Ich hatte ein so furchtbar schlechtes Gewissen, dass ich nicht einmal so tun konnte, als sei ich gekränkt. Joe hatte in allen Punkten Recht. Dass Rich und ich einen besonderen Draht zueinander hatten, dass ich Joe vernachlässigte, dass unsere gemeinsamen Zeiten viel intensiver gewesen waren, als Joe ein paar Zeitzonen weiter entfernt gewohnt hatte.
Sobald er bereit gewesen war, nach San Francisco zu ziehen, da hatte er mir gehört, nur mir allein. Und ich hatte ihn
zur Selbstverständlichkeit degradiert. Das war falsch gewesen, und das musste ich ihm sagen. Doch die aufwallenden Tränen bildeten einen dicken Kloß in meiner Kehle. Genau das war die Ursache für all die vielen gescheiterten Polizistenehen.
Die Arbeit. Die Besessenheit und die Hingabe an den Job.
Genau darum ging es hier... oder etwa nicht?
Mir war richtiggehend schlecht vor Scham. Ich wollte doch nicht, dass es Joe schlecht ging, wollte ihn doch niemals verletzen. Also stellte ich mein Glas auf die Theke, nahm Joes Glas und stellte es ebenfalls beiseite.
»Da läuft überhaupt nichts, Joe. Ausschließlich die Arbeit, sonst gar nichts.«
Er schaute mir in die Augen, und ich kam mir vor, als würde er mein Gehirn durchforsten. So gut kannte er mich.
»Rührst du gleich mal die Soße ein bisschen durch, ja, Linds? Ich gehe kurz unter die Dusche.«
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und schlang ihm die Arme um den Hals, hielt mich an dem Mann fest, den ich einmal heiraten wollte, drückte meine Wange an seine. Ich wollte, dass er mich festhielt. Und das tat er schließlich auch. Er legte die Arme um meine Hüften und zog mich fest an sich.
Ich sagte: »Ich liebe dich so sehr. Und ich sorge dafür, dass ich dir das in Zukunft auch besser zeigen kann, Joe. Ganz bestimmt, ich schwöre.«
110
Rich saß bereits am Computer, als ich zu meinem Schreibtisch gelangte. Rasant bearbeitete er mit zwei Fingern die Tastatur und verbreitete den Eindruck, als stünde er bereits unter Hochspannung. Ich bedankte mich für den Krispy Kreme, den er auf einer Serviette neben meinem Telefon platziert hatte.
»Ich war dran«, sagte er, ohne den Kopf zu heben, während ich meinen Stuhl unter dem Schreibtisch hervorzog und mich setzte. »Frau Dr. Roach hat angerufen«, fuhr Rich fort. »Sie hat in
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