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Die Abaddon-Mission (German Edition)

Die Abaddon-Mission (German Edition)

Titel: Die Abaddon-Mission (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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kicherten. Jedenfalls so lange, bis dem Langen plötzlich etwas einfiel:
    »Moment mal, geht deine Schwester nicht drüben in die Zehn?« Er deutete nach rechts auf das flache G e bäude der Mädchenschule.
    Tom konnte nur noch nicken, seine Kehle war wie zug e schnürt.
    »Ach, du Scheiße!« sagte der Lange und musterte ihn mit einer Mischung aus Verlegenheit und Ne u gier.
    Die anderen schwiegen.
    Daß sogar der lange Runold plötzlich seine große Klappe hielt, machte es noch schlimmer. Tom spü r te, wie ihm die Tränen in die Augen schossen. Er hätte schreien mögen, sich auf irgend jemanden stürzen, sich prügeln, bis ihm die Fäuste weh taten – doch er konnte gar nichts tun.
    Er stand nur da und weinte. Ein kleiner Junge, in dem etwas ze r brochen war.
    So stand er auch noch, als es zur Stunde klingelte und sich die a n deren Jungen stumm und verlegen zurück in ihre Klassen trol l ten.
    Es war der 14. Juni des Jahres 2085 und der Tag, an dem Tom e r wachsen wurde.
     
    ***
    Mit achtzehn Jahren wurde Thomas Steinbach w e gen »staatsfeindlicher Umtriebe« zu fünf Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Man brachte ihn in das b e rüchtigte Wüstencamp »Sühnezeichen«, in dem die Mehrzahl der Häftlinge nicht einmal den ersten M o nat überlebte. Zwei Wochen später brach er zusa m men mit über fünfzig Kameraden aus und erreichte nach einer Odyssee, die später als der »T o desmarsch von Nova Roma« zur Legende wurde, mit zwei we i teren Übe r lebenden die Grenzstädte Norditaliens.
    Mit anfangs nur einer Handvoll Gleichgesinnter überfiel Tom P o lizeistationen, befreite Gefangene und sprengte Waffendepots. Er wurde dreimal ve r wundet, einmal davon schwer. Seine Frau Maria, die er in den Bergen kennengelernt hatte, fiel bei der Erstürmung der Alpenfestung Saas-Fee. Nach dem Sturz des I m periums erreichte ihn die Nachricht, daß seine Mutter und seine Schwester Sandra im Schla f land umg e bracht worden waren. Er erfuhr nie, was aus seiner Freundin Karen geworden war. In seinem Herzen liebte er sie noch immer...
    Doch bei allem, was Tom in diesen Jahren erlebte und erlitt, ve r gaß er nicht für einen einzigen Tag den weinenden Jungen auf dem einsamen, staubigen Schulhof. Und manchmal – wenn es still g e worden war in den Zeltstädten der Rebellen und die Feuer eines nach dem anderen verl o schen – weinte er mit ihm.
     

Schwarz
     
    Wo bin ich?
    Noch immer orientierungslos, versuchte Martin die Augen zu öffnen.
    Nichts.
    Doch es war weniger die anhaltende Dunkelheit, die Martin schockierte, als vielmehr die Tatsache, daß er seine Augen nicht spüren konnte. Er fühlte weder das G e wicht seiner Augenlider, noch war er imstande, sie zu bewegen.
    Einen Augenblick lang glaubte er das vertraute Licht der roten Leuchtziffern der Uhr auf seinem Nachttisch zu sehen, doch die Vision verschwand ebenso schnell, wie sie aufgetaucht war.
    Ich bin blind , dachte Martin in einem Anflug von P a nik und begriff im gleichen Augenblick, daß der fehlende Kontakt zu seinen Augen nur Teil einer wesentlich tie f greifenderen Veränderung war. Einer Veränderung, die so unfaßbar war, daß er sich we i gerte, sie zu akzeptieren.
    Vielleicht träume ich , versuchte er sich zu beruh i gen. Doch sein präziser Verstand machte auch di e sen vagen Hoffnungsschimmer sofort zunichte. Bi s her waren Ma r tins Träume stets durch ein Zuviel an Bildern und Erei g nissen gekennzeichnet gewesen. Visionen, die ihren Ursprung in seinem Unterb e wußtsein hatten und Spiege l bild seiner Hoffnungen und Ängste waren. Wobei die Ängste allerdings schon seit Jahren dominierten. Nicht erst sei t dem die Zentrale den verstümmelten Funkspruch mit der Warnung vor einem neuen Angriff aufgefangen ha t te. Doch welchen Sinn sollte ein Traum machen, der buc h stäblich aus Nichts bestand?
    Was also war mit ihm geschehen?
    Martin erinnerte sich an eine Geschichte, die er vor vielen Jahren gelesen hatte. Sie handelte von einem E x periment, bei dem man eine Kammer mit einer konzen t rierten Salzlösung gefüllt hatte, so daß die Testpersonen schw e relos an der Oberfläche schwebten. Dann hatte man ihre Gesichter mit einem dünnen Wachsfilm übe r zogen, der nur ein Loch für ein Röhrchen besaß, durch das die Teilnehmer a t men konnten.
    Sie konnten atmen!
    Nicht daß Martin in diesem Augenblick das B e dürfnis dazu verspürt hätte, ganz im Gegenteil. Es schien, als habe er vergessen, wie man atmet. Es war unglaublich. Fünfzig Jahre lang

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