Die Abaddon-Mission (German Edition)
...«
»So etwas Ähnliches habe ich befürchtet«, b e merkte die Stimme nachdenklich. »Viel Zeit bleibt uns wahrschei n lich nicht mehr.«
»Was können wir nur tun?« fragte sich Martin ve r zweifelt.
»Ich habe mich ein wenig umgesehen und glaube, daß es eine Möglichkeit gibt«, begann die Stimme zögernd.
»Aber es gibt einen Haken«, dachte Martin mit plötzl i cher Klarheit. »Und dieser Haken hat mit mir zu tun.«
»Ja, Martin«, bestätigte die Stimme kummervoll. »Sie werden mit allen Mitteln versuchen, an die C o des hera n zukommen. Ich bin dagegen im Moment völlig unwic h tig für sie.«
»Sie werden mir also wehtun?«
»Ich fürchte, ja«
»Und es gibt nichts, was wir dagegen tun kö n nen?«
»Nichts, was du dagegen tun könntest.«
»Ich kann nicht einmal ohnmächtig werden oder ste r ben?«
»Solange sie nicht die Geduld verlieren, nein.«
»Was wirst du tun?«
»Ich dürfte es dir nicht sagen, selbst wenn ich es wü ß te.«
»Ich verlasse mich auf dich, Ron. Geh jetzt.«
»Leb wohl, Martin«, flüsterte die Stimme so leise wie ein Hauch.
Obwohl Martin keine Augen mehr besaß, hatte er nach Rons Verschwinden den Eindruck, daß die Dunkelheit um ihn herum noch dichter geworden war. Er fühlte sich wieder so allein und hilflos wie in den ersten Minuten seiner neuen Existenz.
Sekunden später signalisierte ein häßliches Kni r schen in seinen Ohren, daß die Zeit seiner Prüfung gekommen war ...
Martin wußte nicht, wie lange das Verhör schon daue r te.
Er hatte die erstaunliche Entdeckung gemacht, daß die Erwartung des Schmerzes wesentlich una n genehmer war als der Schmerz selbst. Wenn die weißglühenden Wellen sein Bewußtsein überflut e ten, verspürte er weder Furcht noch Hoffnung. Es gab nur noch den Schmerz und ihn, und solange diese Qualen andauerten, konnte Martin nichts ve r raten. Wirklich schlimm waren nur die endl o sen Pausen zwischen den immer gleichen Fragen seiner Peiniger und der darauffolgenden Strafe für sein Schwe i gen. Er war nie in der Lage, Intensität und Dauer des Schme r zes vorherzusehen, und allmählich spürte er, wie seine Kräfte ihn verließen. Noch hielt das gedankliche Gebäude stand, das er wie einen Schutzschild vor seinem wertvollerem Wissen au f gebaut hatte. Es war eine leicht einzuprägende E r öffnungsstellung, die er in der Verga n genheit schon dutzendfach gegen sein Lieblings-Schachprogramm gespielt hatte. Wenn der Schmerz ihn freigab, ko n zentrierte er sich sofort wieder auf den näch s ten Zug, so daß er gar nicht in die Verlegenheit kam, über die Kolonie, die Außenforts oder gar die S i cherheitsmaßnahmen nachzudenken. Doch ganz allmä h lich begann die dreidimensionale Darstellung des Schachbretts zu verblassen, und Martin wußte, daß ihm nicht mehr viel Zeit blieb ...
Das Ende kam völlig unvermittelt. Martin war so e r schöpft, daß er nicht einmal mitbekam, daß die Fragen seiner Peiniger plötzlich in Hilfeschreie ü bergegangen waren. Auch das Fauchen der aus dem Schiffsrumpf entweichenden Luft registrierte er zunächst nur unbewußt. Erst das synchrone Aufhe u len der Alarmsirenen riß ihn aus seiner Erstarrung.
Martin besaß keine Augen mehr, und so blieb ihm der Anblick des blutigen Endes der Besatzung der »Prince of Persia« erspart. Bläulich verfärbte Finger zuckten in Agonie über blockierte Tastaturen, Au g äpfel quollen wie weiße Tumoren aus den Höhlen, während die Sterbenden die gefrorenen Reste ihrer Lungen ausspieen. Eine u n sichtbare Faust riß die erstarrten Körper mit sich und b e förderte sie mit den letzten Resten atembarer Luft in die kalte Unen d lichkeit des Raumes.
Als sich die Außenschotts endlich zischend schlo s sen, befand sich kein atmendes Wesen mehr auf der »Prince of Persia«.
Und doch war das Schiff nicht führerlos.
Irgendwo, tief in den endlosen Speicherbänken des Bordrechners, existierten noch immer die beiden körperlosen Abbilder ehemals menschlichen B e wußtseins.
»Ron?« flüsterte Martin lautlos.
»Hier bin ich, Martin«, meldete sich eine sehr u n te r nehmungslustig klingende Stimme.
»Das war ziemlich knapp, Ron.«
»Ich weiß. Du warst sehr tapfer.«
»Was wird jetzt aus uns werden?«
»Wie meinst du das, Martin?«
»Werden wir zurückkehren, auf den Mond, meine ich?«
»Braucht uns dort jemand, oder sind wir irgend jemandem etwas schuldig?«
Darüber mußte Martin erst nachdenken. Dann stand seine Entscheidung fest.
»Wie lange
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