Die Abaddon-Mission (German Edition)
unglückliche Liebesaffären hatte sich die Familie g e wöhnt. Sie waren so vorhersehbar wie die Aschestürme im Sommer. Es begann mit stu n denla n gen Schminkorgien im Badezimmer und der Anpr o be ebenso ausgefallener wie unvorteilhafter Kleidung s st ü cke. Dem Anlegen der Kriegsbemalung und der Kostümierung fol g ten – wenn nicht gerade Ausgangssperre angeordnet war – kurze Phasen abendl i cher Abwesenheit. Das unvermeidliche Ende war dann stets an knallenden Türen, verschmierter Wimperntusche und extremer Reizbarkeit zu erke n nen. An solchen Tagen war es besser, Sandra aus dem Weg zu gehen und abzuwarten, bis sich das Unwe t ter verzogen ha t te.
Aber nie, niemals wäre Sandra auf die Idee g e kommen, ihren Br u der mit seinem vollständigen Vorn a men anzur e den!
Sandra weinte nicht mehr, aber in ihren Augen lag jetzt ein Ausdruck, der Tom noch mehr ve r unsiche r te.
Er hatte solche Augen schon einmal gesehen – im Frühjahr, als sie den jungen Hansen abgeholt hatten. Tom kannte die Hansens zwar nur vom Sehen, wäre aber nie auf die Idee gekommen, daß jemand aus ihrer unmittelbaren Nachbarschaft gemeinsame S a che mit den Terroristen machen könnte. Mit Verbr e chern aus dem Grenzland , die ihre Opfer ausraubten und in der Wüste verdu r sten ließen!
Für die Kinder war das Ganze ein Riesenspektakel gewesen. Die beiden schwarz glänzenden Kamp f hubschrauber, die an ihren Leinen zerrenden Hunde und die Soldaten in ihren kugelsicheren Overalls. Die eigentliche Verhaftung war allerdings eher en t täuschend verlaufen. Kein Schußwechsel, kein Tr ä ne n gas, keine Blendgranaten; nur ein schmächtiger Mann mit großen, ängstlichen Augen, der von zwei Uniformierten abgeführt wurde.
Hansens Mutter hatte die Verhaftung ihres Sohnes stumm mita n gesehen. Tom sah das in fassungslosem Entsetzen erstarrte Gesicht der alten Frau noch i m mer vor sich. Als der BÖS sie am nächsten Tag noch einmal verhören wollte, hatte sie sich im Schut z raum e r hängt.
Von Hansen hatte Tom nie wieder etwas gehört. Wahrscheinlich hatte man ihn mit Wahrheitsdrogen vollgestopft und dann ins Schla f land g e bracht...
Etwas von der Verzweiflung der alten Frau lag jetzt auf Sandras Gesicht und preßte Toms Herz zusa m men. Plötzlich begriff er, wie sehr er an ihr hing. Trotz ihres überheblichen Getues und ihrer nervt ö tenden Geschwätzigkeit mochte er seine Schwester. Er mußte h e rausfinden, was man ihr angetan hatte. Schließlich war er während Roberts Abwesenheit der einzige Mann in der F a milie...
Während der Fahrt im Schulbus schwieg Tom nachdenklich. Er überlegte, wen er in dieser Angel e ge n heit um Rat fragen könnte, und hatte schließlich eine Idee. Er konnte den langen Runold zwar nicht leiden, aber was das weibliche Geschlecht anbetraf, war er vermu t lich der geeignete Ansprec h partner.
Tom fragte sich manchmal, wo der Lange immer die schweinischen Holics her hatte, die er in den Ho f pausen herumzeigte, wenn gerade kein Lehrer oder Ausbilder in der Nähe war. Obwohl Tom die darg e stellten Szenen eher abstoßend fand, gehörte doch eine Menge Mut dazu, so etwas mit in die Sch u le zu bringen. Wenn der Lange Pech hatte und damit e r wischt wurde, konnte er leicht bei den Muts oder gar im Lager landen. Eine Vorstellung, bei der es Tom kalt den Rü c ken hinunter lief...
Eine endlose Doppelstunde Physik und Ballistik lang rutschte Tom unruhig auf seinem Stuhl hin und her, bis es endlich zur Pause lä u t e te. Es war nicht schwierig, während des Rundgangs auf dem Schu l hof den Gesuchten auszumachen, der einen halben Kopf größer war als die meisten seiner Klassenk a meraden.
Herablassend musterte der Lange den Kleineren, nachdem Tom umständlich sein Anliegen vorgetr a gen hatte:
»Willst du mich verarschen, oder hast du wirklich keine A h nung?«
Tom wurde rot.
»Das ist doch zum Brüllen!« verkündete Runold lautstark. »Dieser Schlaumeier weiß zwar, wie hoch die Strahlung am Arsch der Welt ist, aber weshalb die Weiber Schiß vor der G3 haben, weiß er nicht!«
»Weshalb denn?« murmelte Tom verlegen.
»Weil man sie sterilisiert, wenn ihre Werte nicht in Ordnung sind, verdammt noch mal! Bist du wir k lich so dämlich, oder siehst du bloß so aus?«
»Wie sterilisiert?« fragte Tom mit belegter Sti m me.
»Ganz einfach. Man schlitzt sie auf und brennt i h nen die Eileiter durch. Aus der Traum. Wenigstens bra u chen sie sich dann nicht mehr vorz u sehen.«
Die Umstehenden
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