Die Abaddon-Mission (German Edition)
übermächtig wurde. Er war müde, sehr müde, und so flößte ihm die aufsteigende Du n kelheit keinerlei Furcht ein. Lewis B. Hopkin hatte einen weiten Weg hinter sich, doch jetzt war er a n gekommen. Endlich.
***
Wenn es Nacht wird, liegt ein blaues Leuchten ü ber dem Gipfel des Ravius-Massivs hoch über den G e röllfeldern des Vorgebirges. Niemand nimmt d a von Notiz. Niemand, außer den Schatten, die diesen Ort mögen.
Noch immer rotieren die Kristallscheiben in den V a kuumkammern, der Generator summt, und aus den Boxen dröhnt laute Musik, deren Echo gespe n stisch von den Kraterwänden widerhallt.
Eine weiß gekleidete Gestalt tanzt wie ein De r wisch über die Bühne, angefeuert von einer bege i sterten Menge, die sich zuckend im Rhythmus der Tro m meln bewegt.
Der alte Mann sitzt im Schatten. Seine Haut ist dünn und vertrocknet wie welkes Laub. Der Wind spielt in seinem weißen Haar, das im Nacken zu einem Zopf zusammengebunden ist. In den gefror e nen Pupillen des Toten spiegelt sich das Blau des Hi m mels.
Der alte Mann bewegt sich nicht, ebensowenig wie der jüngere, der das Geschehen stumm von se i nem Ehrenplatz an der Hinterwand der Bühne aus be o bachtet. Beide lächeln, der eine selbstbewußt und ein wenig spöttisch, der andere unbefangen wie ein Kind. Die beiden Männer sehen sich trotz des unte r schiedlichen Alters auffallend ähnlich, doch ni e mand nimmt davon Notiz. Niemand, außer den Schatten des Mars ...
Der Kommandeur
Schrille Signaltöne zerrissen die Nacht.
Schlaftrunken fuhr Tom in seine Hausschuhe und tastete sich mit halbgeschlossenen Augen in Ric h tung Badezimmer. Auf dem Weg zur Toilette streifte sein Blick sehnsüchtig die Tür zur Duschkabine. Schade, heute war erst Dienstag. Warmes Wasser gab es in ihrem Block nur mittwochs und sonntags. Zwar nur dreißig Liter pro Pe r son, aber immerhin besser als gar nichts. An den anderen Wochent a gen reichte die Wasserzuteilung allenfalls für eine Ka t zenw ä sche.
Eine Wolke süßlichen Desinfektionsmittelgeruchs quoll Tom en t gegen, als er die Spülung betätigte. Angewidert schlurfte er zum Waschbecken und spie aus. Kaum hatte er sich den Schlaf aus den Augen gespült, versiegte der Wasse r strahl in einem Trö p feln.
Sandra!
Toms Gefühle gegenüber seiner älteren Schwester waren in diesem Augenblick alles andere als brüde r lich. Jeden Morgen ve r brauchte sie den Löwenanteil der Wasserzuteilung für sich und hatte dabei nicht einmal ein schlechtes G e wissen.
Das dumpfe Hämmern aus Richtung Speisezi m mer verstärkte Toms Groll auf seine Schwester noch. Wahrscheinlich hatte sie wieder ihren Lie b lingskanal eingestellt und den Lautstärkeregler voll au f gedreht.
Schade, daß Robert so selten Urlaub bekam. Vor ihrem großen Bruder hatte Sandra Respekt, was wohl damit zusammenhing, daß Robert von ihren Freundinnen wegen seiner schmucken Pilotenun i form wie ein Wundertier angehimmelt wurde.
Auch Ma schien es besser zu gehen, wenn Robert seinen Frontu r laub zu Hause verbrachte. Jedenfalls weinte sie nicht mehr so oft wie sonst.
Ma wußte nicht, daß Tom ihr Schluchzen durch die geschlossene Schlafzimmertür hören konnte. Und sich manchmal die Decke über den Kopf zog, um seinerseits wie ein Schloßhund loszuhe u len...
Das Display des Sturmmelders im Flur zeigte Nordwestwind, Stärke 3, bei einer Niederschlag s wahrscheinlichkeit von dreißig Pr o zent. Wind aus Nor d west war »guter« Wind, der manchmal sogar etwas Regen mitbrachte. Sauberen Regen, den man in den städt i schen Z i sternen auffangen und als Trinkwasser nutzen konnte.
Tom ging zurück in sein Zimmer und zog die ve r haßte Kade t tenuniform über. Beim Überprüfen se i ner Schultasche zögerte er e i nen Moment, bevor er das Päckchen mit der Schutzausrüstung au s packte und unterm Bett versteckte. Bei Nordwestwind war das Zeug ohn e hin nur überflüssiger Ballast. Wenn heute wider Erwarten T a sche n kontrolle war, würde ihm schon eine Ausrede einfallen. Muß mir zu Ha u se aus der Tasche gefallen sein – wird nicht wieder vo r kommen...
Auf dem Weg ins Speisezimmer fiel Toms Blick auf den leeren Fleck über der Kommode, wo früher Pas Bild gehangen hatte. Der Militärfürsorger hatte Ma dazu gebracht, das Bild abzunehmen. Tom wu ß te davon, weil er – wie stets, wenn Ma Besuch hatte – an der Tür gelauscht hatte.
Tom konnte nicht verstehen, weshalb die Armee etwas gegen die Erinnerung an Pa hatte. Sein Vater
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