Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
zu jemand zu erschießen, was Generalmajor von Schwarzburg mit Genugtuung zur Kenntnis nahm: »So solls sein. Das ist ein Soldat!«
Es hatte den Anschein, als liebe er es nicht, wenn nach seiner Inspektion überhaupt jemand am Leben blieb. Er hatte die Manier, die Offiziere stets in die unangenehmsten Orte zu versetzen. Der geringste Anlaß genügte, und schon nahm ein Offizier Abschied von seiner Garnison und pilgerte an die Grenzen Montenegros oder in irgendeine versoffene, verzweifelte Garnison in einem schmutzigen Winkel Galiziens.
»Herr Oberleutnant«, sagte er, »wo haben Sie die Kadettenschule besucht?«
|237| »In Prag.«
»Sie sind also in die Kadettenschule gegangen und wissen nicht einmal, daß ein Offizier für seinen Untergebenen verantwortlich ist. Das ist schön. Zweitens unterhalten Sie sich mit Ihrem Burschen wie mit einem intimen Freund. Sie erlauben ihm zu sprechen, ohne daß er gefragt wird. Das ist noch schöner. Drittens erlauben Sie ihm, Ihre Vorgesetzten zu beleidigen. Und das ist das Schönste: Aus all dem werde ich Konsequenzen ziehen. Wie heißen Sie, Herr Oberleutnant?«
»Lukasch.«
»Und bei welchem Regiment dienen Sie?«
»Ich war …«
»Danke, davon, wo Sie waren, ist nicht die Rede, ich will wissen, wo Sie jetzt dienen.«
»Beim 91. Infanterieregiment, Herr Generalmajor. Man hat mich versetzt …«
»Versetzt? Daran hat man sehr gut getan. Es wird Ihnen nicht schaden, so bald wie möglich mit dem 91. Infanterieregiment an die Front zu kommen.«
»Darüber hat man bereits entschieden, Herr Generalmajor.«
Der Generalmajor setzte nun in einem Vortrag auseinander, er habe während der letzten Jahre bemerkt, daß die Offiziere mit ihren Untergebenen in einem familiären Ton sprechen, worin er die Gefahr der Verbreitung gewisser demokratischer Grundsätze sehe. Einen Soldaten müsse man in ständiger Angst erhalten, er müsse vor seinem Vorgesetzten zittern, sich vor ihm fürchten. Die Offiziere müßten sich die Mannschaft zehn Schritt vom Leib halten und dürften ihr nicht erlauben, selbständig zu überlegen oder am Ende gar zu denken. Darin liege der tragische Irrtum der letzten Jahre. Früher habe sich die Mannschaft vor den Offizieren gefürchtet wie vor Feuer, aber heute …
Der Generalmajor winkte hoffnungslos mit der Hand. »Heu te verzärtelt die Mehrzahl der Offiziere die Soldaten. Das wollt ich sagen.«
Der Generalmajor ergriff abermals seine Zeitung und vertiefte sich in die Lektüre. Oberleutnant Lukasch ging blaß auf den Gang hinaus, um mit Schwejk abzurechnen.
|238| Er fand ihn mit einem so glückseligen und zufriedenen Ausdruck am Fenster stehend, wie ihn nur ein einen Monat altes Kindlein haben kann, das sich satt gesaugt hat und eingeschlummert ist.
Der Oberleutnant blieb stehen, winkte Schwejk und wies auf ein leeres Kupee. Er trat nach Schwejk ein und schloß die Türe.
»Schwejk«, sagte er feierlich, »endlich ist der Augenblick gekommen, wo Sie paar Ohrfeigen bekommen werden, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Warum haben Sie denn diesen kahlköpfigen Herrn angerempelt? Wissen Sie, daß es der Generalmajor von Schwarzburg ist?«
»Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant«, ließ sich Schwejk vernehmen, der eine Märtyrermiene aufsetzte, »daß ich überhaupt nie im Leben die geringste Absicht gehabt hab, jemanden zu beleidigen, und daß ich überhaupt keine Idee und Ahnung von einem Herrn Generalmajor gehabt hab. Er ist wirklich der ganze Herr Purkrabek, Vertreter der Bank ›Sla wia ‹. Der is zu uns ins Wirtshaus gegangen, und einmal, wie er beim Tisch eingeschlafen is, hat ihm ein Wohltäter mit Tintenstift auf seine Glatze geschrieben: ›Wir erlauben uns, Ihnen hiermit auf Grund der beigelegten Drucksorte IIIc höflich die Erwerbung einer Mitgift und Aussteuer für Ihre Kinder mittels einer Lebensversicherung anzubieten!‹ Versteht sich, daß alle weggegangen sind, und ich bin mit ihm allein dortgeblieben, und weil ich immer Pech hab, so hat er sich dann, wie er aufgekommen is und sich in den Spiegel geschaut hat, aufgeregt und gedacht, daß ich es gemacht hab und hat mir auch paar Ohrfeigen geben wolln.«
Das Wörtchen »auch« floß so ergreifend weich und vorwurfsvoll von Schwejks Lippen, daß die Hand des Oberleutnants herabsank.
Aber Schwejk fuhr fort: »Wegen so einem kleinen Irrtum hätt sich der Herr nicht aufregen müssen, er sollt wirklich sechzigtausend bis siebzigtausend Haare ham, wies in dem Artikel gestanden is, wo
Weitere Kostenlose Bücher