Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
der Budweiser Anabasis entgegen.
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Schwejks Budweiser Anabasis
Xenophon, ein Feldherr des Altertums, durcheilte ganz Kleinasien und kam ohne Landkarte weiß Gott wohin. Die alten Goten trafen ihre Vorbereitungen gleichfalls ohne topographische Kenntnisse. Fortwährend geradeaus marschieren, das |255| nennt man Anabasis. Sich durch unbekannte Landschaften einen Weg bahnen. Von Feinden umringt, die auf die erste Gelegenheit warten, dir den Hals abzudrehen. Hat jemand einen guten Kopf wie Xenophon oder all die Räuberstämme, die bis weiß Gott woher vom Kaspischen oder Asowschen Meer nach Europa kamen, wirkt er wahre Wunder auf dem Zuge.
Irgendwo im Norden am Gallischen Meer, das die römischen Legionen Cäsars ebenfalls ohne Landkarte erreicht hatten, faßten sie den Entschluß, einmal wieder zurückzukehren und, um einen noch größeren Genuß zu haben, auf einem andern Weg nach Rom zu marschieren, was ihnen auch gelang. Seit dieser Zeit sagt man offenbar, daß alle Wege nach Rom führen.
Ebenso führen alle Wege nach Budweis, wovon der brave Soldat Schwejk in vollstem Maß überzeugt war, als er statt der Budweiser Gegend ein Dorf bei Mühlhausen erblickte.
Er ging jedoch ununterbrochen weiter, denn keinen braven Soldaten kann so ein Mühlhausen daran hindern, dennoch einmal nach Budweis zu gelangen.
Und so tauchte Schwejk westlich von Mühlhausen in Kvĕ tov auf; als er bereits alle Soldatenlieder gesungen hatte, die er von den Soldatenmärschen her kannte, war er gezwungen, vor Kvĕtov wieder mit dem Lied zu beginnen:
Wie wir abgezogen sind,
weinten sich die Mädl blind …
Eine alte Frau, die aus der Kirche zurückkehrte, begegnete Schwejk auf dem Weg zwischen Kvĕtov und Wraz, der ununterbrochen in westlicher Richtung verläuft, und leitete mit dem christlichen Gruß: »Guten Tag, Soldat, wohin des Weges?« ein Gespräch mit ihm ein.
»Ei, ich geh nach Budweis zum Regiment, Mütterchen«, erwiderte Schwejk, »in den Krieg.«
»Aber da geht Ihr ja schlecht, Kleiner«, sagte die Alte erschrocken, »da werdet Ihr nie hinkommen. Wenn Ihr in dieser Richtung über Wraz fort gradaus geht, so kommt Ihr nach Klattau.«
|256| »Ich denk«, sagte Schwejk ergeben, »daß man auch von Klattau nach Budweis kommen kann. Es is wahr, es is ein hübscher Spaziergang, wenn man zu seinem Regiment eilt, damit man nicht noch zu allem für seinen guten Willen, rechtzeitig an Ort und Stelle zu sein, Unannehmlichkeiten hat.«
»Bei uns war auch so ein Kerl. Der hat nach Pilsen zur Landwehr fahren solln, ein gewisser Toni Maschek«, seufzte die Alte, »er is ein Verwandter von meiner Nichte und is weggefahren. Und nach einer Woche ham ihn schon die Gendarmen gesucht, daß er nicht zu seinem Regiment gekommen is. Und nach noch einer Woche is er in Zivil zu uns gekommen, man hat ihn herich nach Haus auf Urlaub geschickt. So is also der Bürgermeister auf die Gendarmerie gegangen, und sie ham ihm diesen Urlaub eingesalzt. Jetzt hat er schon von der Front geschrieben, daß er verwundet is, daß er ein Bein weg hat.«
Die Alte blickte teilnahmsvoll auf Schwejk. »In diesem Wäldchen dort, Kleiner, könnt Ihr auf mich warten, ich bring Euch ein paar Erdäpfel hin, das wird Euch erwärmen. Unsere Hütte is von hier zu sehn, grad hinterm Wäldchen bißl rechts. Durch unser Dorf Wraz könnt Ihr nicht gehn, dort sind die Gendarmen wie Falken. Geht lieber am Wäldchen vorbei auf Maltschin zu. Von dort aus weicht Tschizowa aus, Kleiner. Dort: sind die Gendarmen wie Schinder und fangen die Deserteure. Geht direkt durch den Wald nach Sedletz bei Horadowitz. Dort is ein sehr braver Gendarm, der läßt jeden durchs Dorf. Habt Ihr Papiere bei Euch?«
»Nein, Mütterchen.«
»Dann geht gar nicht hin, geht lieber nach Radomyschl, aber trachtet, gegen Abend hinzukommen, da sind alle Gendarmen im Wirtshaus. Dort werdet Ihr in der untern Gasse hinterm Florian ein Häuschen finden, unten is es blau angestrichen, dort fragt nachm Bauer Melicharek. Das is mein Bruder. Daß ich ihn grüßen laß, und er wird Euch zeigen, wo man nach Budweis geht.«
Im Wäldchen wartete Schwejk länger als eine halbe Stunde auf die Alte, und als er sich an der Erdäpfelsuppe erwärmt hatte, die die arme Alte ihm in einem Topf brachte, der mit einem |257| Polster umwickelt war, damit die Suppe nicht kalt werde, zog sie aus einem Tuch eine Schnitte Brot und ein Stück Speck hervor, steckte das alles in Schwejks Taschen, schlug ein Kreuz über ihn und sagte, daß sie
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