Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
Kapellmeister der Scharfschützen, der gerade »Gott erhalte, Gott beschütze« spielen lassen wollte, den Taktstock zu entreißen.
»Halt«, sagte er, »noch nicht, bis ich das Zeichen gebe. Jetzt ›Ruht‹, ich komm wieder zurück.«
Er verschwand im Bahnhof und ging der Eskorte nach, die er mit seinem lauten »Halt!« anhielt.
»Wohin denn?« fragte er streng den Korporal, der sich in dieser neuen Situation keinen Rat wußte.
Statt seiner antwortete Schwejk gutmütig: »Nach Bruck führt man uns; wenn Sie wollen, Herr Oberfeldkurat, können Sie mit uns fahren.«
»Das werde ich auch tun«, verkündete Pater Lacina, und der Eskorte zugewendet, fügte er hinzu: »Wer sagt, daß ich nicht fahren kann? Vorwärts! Marsch!«
Als sich der Oberfeldkurat im Arrestantenwagen befand, legte er sich auf die Bank; der gutherzige Schwejk zog den Mantel aus und legte ihn Pater Lacina unter den Kopf, wozu der Einjährigfreiwillige zum Entsetzen des Korporals leise bemerkte: »Oberfeldkuraten pflegen …«
|335| Pater Lacina begann, bequem auf die Bank gestreckt, zu erzählen: »Ragout mit Pilzen, meine Herren, ist um so besser, je mehr Pilze drin sind, aber die Pilze müssen zuerst auf Zwiebeln gedünstet werden, und dann gibt man erst ein Lorbeerblatt zu und die Zwiebel …«
»Die Zwiebel haben Sie schon zuerst zu geben geruht«, ließ sich der Einjährigfreiwillige vernehmen, von einem verzweifelten Blick des Korporals gefolgt, der zwar in Pater Lacina einen Betrunkenen, trotzdem aber seinen Vorgesetzten sah.
Die Situation des Korporals war wirklich verzweifelt.
»Ja«, bemerkte Schwejk, »der Herr Oberfeldkurat hat vollkommen recht. Je mehr Zwiebel, desto besser. In Pachomeritz war ein Bräuer, und der hat sogar ins Bier Zwiebeln gegeben, nämlich weil Zwiebeln Durst machen. Zwiebeln sind überhaupt eine sehr nützliche Sache. Gebackene Zwiebeln gibt man sogar auf Asten …«
Pater Lacina sprach inzwischen halblaut auf seiner Bank wie im Traum: »Alles kommt auf die Gewürze an, was für Gewürze man hineingibt und in welcher Menge. Nichts darf überpfeffert, überpapriziert werden.«
Er redete immer langsamer und leiser: »Ü-ber-nelkt, ü-ber-zitro-niert, ü-ber-neu-ge-würzt, ü-ber-musch-katiert.«
Er sprach nicht zu Ende und schlief ein, ab und zu durch die Nase pfeifend, wenn er von Zeit zu Zeit aufhörte zu schnarchen.
Der Korporal blickte ihn unverwandt an, während die Infanteristen der Eskorte leise auf ihren Bänken lachten.
»Der kommt nicht so bald auf«, meinte Schwejk bald danach, »er is vollständig besoffen.
Das is wurscht«, fuhr Schwejk fort, als ihm der Korporal ängstlich ein Zeichen gab, zu schweigen, »dran läßt sich nichts ändern, er is besoffen, wie es das Gesetz vorschreibt. Er is im Rang von einem Hauptmann. Jeder von diesen Feldkuraten, ob niedriger oder höher, hat schon von Gott so ein Talent, daß er sich bei jeder Gelegenheit unter den Tisch säuft. Ich hab beim Feldkurat Katz gedient, und der hätt fast die Nase zwischen den Augen vertrunken. Das, was der da aufführt, is noch |336| nichts gegen das, was der aufgeführt hat. Wir ham zusamm die Monstranz vertrunken und hätten vielleicht den lieben Gott selbst vertrunken, wenn uns jemand was auf ihn geborgt hätt.«
Schwejk trat zu Pater Lacina, drehte ihn zur Wand und sagte mit Kennermiene: »Der wird bis nach Bruck schnarchen.« Dann kehrte er auf seinen Platz zurück, gefolgt von einem verzweifelten Blick des unglücklichen Korporals, der zaghaft sagte: »Ich solls vielleicht melden gehn.«
»Das lassen Sie sich nicht einfallen«, sagte der Einjährigfreiwillige, »Sie sind Eskortekommandant. Sie dürfen sich nicht von uns entfernen. Und nach der Vorschrift dürfen Sie auch niemanden von der begleitenden Wache herauslassen, um Meldung zu erstatten, solange Sie keinen Ersatz haben. Sie sehn, es ist eine harte Nuß. Mit einem Schuß ein Zeichen geben, daß jemand hereinkommen soll, geht auch nicht. Es ist hier nichts geschehen. Andererseits besteht wieder die Vorschrift, daß sich außer den Arrestanten und der sie begleitenden Eskorte im Arrestantenwaggon keine fremde Person befinden darf. Unbefugten ist der Eintritt streng verboten. Die Spuren Ihrer Übertretung zu verwischen und den Oberfeldkuraten während der Fahrt auf unauffällige Art aus dem Zug zu werfen, geht auch nicht, weil Zeugen zugegen sind, die gesehen haben, daß Sie ihn in den Waggon gelassen haben, wohin er nicht gehört. Das bedeutet sichere
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