Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
geblieben.«
»Das war ein dummer Kerl«, sagte der alte Sappeur Woditschka, »er hat schwören und dabei doch auf alles scheißen können mitsamtn ganzen Schwur.«
»Ich hab schon dreimal geschworen«, ergriff ein Infanterist das Wort, »und bin schon dreimal nach der Desertion wieder |404| hier, und wenn ich nicht das ärztliche Zeugnis hätt, daß ich vor fünfzehn Jahren aus Schwachsinn meine Tante erschlagen hab, wär ich vielleicht schon zum drittenmal an der Front erschossen worn. Aber so hilft mir meine selige Tante immer aus der Schlamastik, und zum Schluß wer ich vielleicht doch unverletzt ausm Krieg nach Haus kommen.«
»Und warum«, fragte Schwejk, »hast du sie erschlagen, deine Tante?«
»Warum erschlägt man Leute«, antwortete der angenehme Mann, »das kann sich jeder an den Fingern abzählen. Wegen Geld. Die alte Hexe hat fünf Sparkassabücher gehabt, und man hat ihr die Zinsen geschickt, wie ich ganz zerfetzt und abgerissen zu ihr auf Besuch gekommen bin. Außer ihr hab ich keine Seele auf Gottes Welt gehabt. Da hab ich sie gebeten, sie soll sich meiner annehmen, und sie, das Luder, ich soll herich arbeiten, daß ich herich ein junger, starker und gesunder Mensch bin. Ein Wort hat das andere gegeben, und ich hab sie nur paarmal mitm Schürhaken übern Kopf geschlagen und hab ihr das ganze Gesicht so zugerichtet, daß ich nicht gewußt hab, obs meine Tante is oder nicht. Dann bin ich dort bei ihr auf der Erde gesessen und sag mir fort: ›Is das die Tante oder is das nicht die Tante?‹ Und so ham mich die Nachbarn am nächsten Tag bei ihr sitzen gefunden. Dann war ich im Irrenhaus in Slupi, und wie sie uns dann vorm Krieg in Bohnitz 1 vor die Kommission gestellt ham, bin ich für geheilt erklärt worn und hab gleich zum Militär müssen, die Jahre nachdienen, was ich versäumt hab.«
Ein magerer, aufgeschossener Soldat von abgehärmtem Äußeren mit einem Besen ging vorbei.
»Das is ein Lehrer von unserer Marschkompanie«, stellte ihn der neben Schwejk sitzende Jäger vor, »jetzt geht er nach sich auskehren. Ein sehr ordentlicher Mensch. Er is hier wegen einem Gedicht, das er verfaßt hat.«
»Komm her, Lehrer!« rief er dem Mann mit dem Besen zu, der sich ernsthaft der Bank näherte.
»Sag uns das von den Läusen auf.«
|405| Der Soldat mit dem Besen hustete und legte los:
Verlaust ist alles, alle juckt es,
auf uns kriecht eine große Laus.
Mit unsrem Kommandanten zuckt es,
und fort zieht er sich an und aus.
Der Laus, der geht es gut im Heere,
selbst Chargen bleibt sie nicht erspart.
Seht, wie die Laus vom Preußenheere
sich mit dem österreichschen Lauser paart.
Der abgehärmte Soldat, ein Lehrer, setzte sich zu ihnen auf die Bank und seufzte: »Das ist alles, und deswegen bin ich schon zum viertenmal vom Herrn Auditor verhört worden.«
»Das is wirklich nicht der Rede wert«, sagte Schwejk aufrichtig, »es kommt nur drauf an, wen sie bei Gericht unter diesem österreichischen Lauser verstehen wern. Noch gut, daß Sie das von dem ›Paaren‹ hineingegeben ham, das wird sie so verwirrn, daß sie davon ganz blöd sein wern. Machen Sie ihnen nur klar, daß ein Lauser das Männchen von der Laus is und daß auf ein Lauseweibchen nur ein Lausemännchen kriechen kann. Anders wern Sie sich draus nicht herauswinden. Sie hams sicher nicht drum geschrieben, weil Sie jemanden ham beleidigen wolln, das is klar. Sagen Sie nur dem Herrn Auditor, daß Sies zu Ihrem Vergnügen geschrieben ham und daß das so is wie bei den Schweinen: Das Männchen von der Sau heißt Eber, das Männchen von der Laus heißt überall – Lauser.«
Der Lehrer seufzte: »Wenn aber der Herr Auditor schlecht tschechisch kann! Ich hab es ihm auch schon auf ähnliche Art erklärt, aber er hat mich angefahren, daß das Männchen von der Laus tschechisch ›Feschak‹ heißt. Kein ›Lauser‹ hat der Herr Auditor erklärt, sondern ein ›Feschak‹. Die ›Fesch« 2 ist femininum, Sie gebildeter Kerl, Sie, folglich heißt das masculinum ›Feschak‹. Wir kennen unsere Pappenheimer.«
»Kurz und gut«, sagte Schwejk, »es steht mit Ihnen mies, |406| aber Sie dürfen nicht die Hoffnung verlieren, alles kann sich noch zum Bessern wenden, wie der Zigeuner Janetschek in Pilsen gesagt hat, wie man ihm im Jahre 1879 wegen einem Doppelraubmord den Strick um den Hals gelegt hat. Und er hat auch recht gehabt, denn im letzten Moment hat man ihn vom Galgen weggeführt, weil man ihn wegen dem Geburtstag Seiner Majestät nicht
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