Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
Ganghofer?«
»Was is er?« fragte Schwejk mit Interesse.
»Ein deutscher Schriftsteller, Sie blöder Kerl, Sie«, antwortete Oberleutnant Lukasch.
»Meiner Seel, Herr Oberlajtnant«, sagte Schwejk mit dem Ausdruck eines Märtyrers, »ich kenn keinen deutschen Schriftsteller persönlich. Ich habe nur einen tschechischen Schriftsteller persönlich gekannt, einen gewissen Ladislaus Hajek aus Taus. Er war Redakteur von der ›Welt der Tiere‹, und ich hab ihm mal so einen Köter für einen reinrassigen Spitz verkauft. Das war ein sehr lustiger und braver Herr. Er is ins Wirtshaus gegangen und hat dort immer seine Geschichten gelesen, solche traurige, daß alle gelacht ham, und er hat dabei geweint und hat für alle im Wirtshaus gezahlt, und wir ham ihm singen müssen: ›Tauser Tor und Türen, der euch konnt verzieren, der hat |497| malen müssen und die Mädel küssen. – Aus dem kann nichts mehr werden, liegt schon in der Erden …‹«
»Sie sind doch nicht im Theater. Was brüllen Sie wie ein Opernsänger, Schwejk?« meinte Oberleutnant Lukasch erschrocken, als Schwejk den letzten Satz: »Aus dem kann nichts mehr werden, liegt schon in der Erden« gesungen hatte. »Da nach habe ich Sie nicht gefragt. Ich wollte nur wissen, ob Sie bemerkt haben, daß die Bücher, von denen Sie selbst zu mir gesprochen haben, von Ganghofer waren. Was war also mit diesen Büchern los?« platzte er zornig heraus.
»Mit den, was ich aus der Regimentskanzlei aufs Bataillon getragen hab?« fragte Schwejk. »Die waren wirklich von dem geschrieben, nach dem Sie mich gefragt ham, ob ich ihn nicht kenn, Herr Oberlajtnant. Ich hab ein Telefonogramm direkt von der Regimentskanzlei bekommen. Man hat diese Bücher nämlich in die Bataillonskanzlei schicken wolln, aber dort waren alle fort, mitsamtn Dienstführenden, weil sie in der Kantine ham sein müssen, wenn man an die Front gefahren is, und weil niemand weiß, ob er noch mal in der Kantine sitzen wird. Sie waren also dort, Herr Oberlajtnant, waren dort und ham getrunken, nirgends, nicht mal bei allen andern Marschkompanien hat man per Telefon niemanden nicht auftreiben können, aber weil Sie mir angeordnet ham, daß ich derweil als Ordonnanz beim Telefon sein soll, bevor man uns den Telefonisten Chodounsky zuteilt, so bin ich gesessen und hab gewartet, bis auch auf mich die Reihe kommt. Aus der Regimentskanzlei ham sie geschimpft, daß sie nirgends niemanden errufen können, daß ein Telefonogramm da is, daß sich die Marschbataillonskanzlei in der Regimentskanzlei irgendwelche Bücher für die Herren Offiziere vom ganzen Marschbatjak beheben soll. Weil ich weiß, Herr Oberlajtnant, daß man im Krieg schnell handeln muß, so hab ich an die Regimentskanzlei telefoniert, daß ich die Bücher selbst beheben wer und in die Bataillonskanzlei tragen wer. Dort hab ich so einen Ranzen bekommen, daß ichs mit Müh zu uns in die Bataillonskanzlei geschleppt hab, und da hab ich mir diese Bücher durchgeschaut. Aber da hab ich mir meinen Teil gedacht. Der |498| Regimentsfeldwebel in der Regimentskanzlei hat mir zwar gesagt, daß man nachn Telefonogramm vom Regiment schon beim Bataillon wissen wird, was man sich von den Büchern aussuchen soll, nämlich
welchen Teil
. Nämlich diese Bücher ham
zwei Teile
gehabt. Der erste Teil extra, der zweite Teil extra. Nie im Leben hab ich so gelacht, weil ich schon viel Bücher im Leben gelesen hab, aber nie hab ich mitn zweiten Teil angefangen. Und er sagt mir dort noch einmal: ›Da ham Sie den ersten Teil, und da ham Sie den zweiten Teil.
Welchen Teil
die Herren Offiziere lesen solln, das wissen sie schon.‹ So hab ich mir gedacht, daß alle besoffen sind, weil, wenn man ein Buch von Anfang lesen soll, so einen Roman, was ich gebracht hab, von den ›Sünden der Väter‹, denn ich kann auch Deutsch, so muß man mitn ersten Teil anfangen, weil wir keine Juden sind und nicht von rückwärts lesen. Drum hab ich Sie auch per Telefon gefragt, Herr Oberlajtnant, wie Sie ausn Kasino zurückgekommen sind, und hab Ihnen das von den Büchern gemeldet, obs vielleicht jetzt beim Militär umgekehrt is und ob man nicht die Bücher in verkehrter Reihenfolge liest, zuerst den
Zweiten
und dann den
Ersten Teil
. Und Sie ham mir gesagt, daß ich ein besoffenes Rindvieh bin, wenn ich nicht mal weiß, daß im Vaterunser zuerst steht: ›Vater unser‹ und dann erst ›Amen‹.«
»Is Ihnen schlecht, Herr Oberlajtnant?« fragte Schwejk mit Interesse, als sich der bleiche
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