Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
Wenn ich Sie ›Blö dian ‹ nenne, so gebe ich Ihnen noch einen Kosenamen. Sie haben etwas so Fürchterliches angestellt, daß Ihre schrecklichsten Verbrechen, deren Sie sich während der Zeit, in der ich Sie kenne, schuldig gemacht haben, dagegen eine wahre Engelsmusik sind. Wenn Sie wüßten, Schwejk, was Sie gemacht haben. – Aber Sie werden es nie erfahren. – Wenn vielleicht einmal von diesen Büchern die Rede wäre, so unterstehn Sie sich nicht auszuquatschen, daß ich Ihnen telefonisch was gesagt hab, daß der zweite Teil … Wenn einmal davon die Rede wäre, wie das mit dem ersten und dem zweiten Teil war, so |501| beachten Sie es nicht. Sie wissen von nichts, kennen nichts, erinnern sich an nichts. Nicht, daß Sie mich in etwas verwickeln, Sie …«
Oberleutnant Lukasch sprach mit einer Stimme, als ob ihn Fieber schüttelte. Den Augenblick, in dem er verstummte, benützte Schwejk zu der unschuldigen Frage: »Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, verzeihn Sie gütigst, warum wer ich nie erfahren, was ich Fürchterliches angestellt hab? Ich hab mich, Herr Oberlajtnant, nur deshalb unterstanden danach zu fragen, damit ich nächstens so einer Sache ausweichen kann, denn man sagt allgemein, daß der Mensch aus Fehlern lernt, wie der Gießer Adamec aus der Danĕkschen Fabrik, wie er aus Versehn Salzsäure getrunken hat …«
Er sprach nicht zu Ende, denn Oberleutnant Lukasch unterbrach sein Beispiel aus dem Leben mit den Worten: »Sie Idiot, Sie! Erklären werde ich Ihnen nichts. Kriechen Sie wieder in den Waggon, und sagen Sie dem Baloun, bis wir in Budapest sein werden, soll er mir in den Stabswaggon eine Semmel und dann die Leberpastete bringen, die unten im Koffer in Stanniolpapier gewickelt ist. Dann sagen Sie dem Wanĕk, daß er ein Esel ist. Dreimal hab ich von ihm verlangt, er soll mir den genauen Mannschaftsstand angeben. Und wie ichs heute gebraucht habe, hab ich nur den alten Stand von der vorigen Woche gehabt.«
»Zu Befehl, Herr Oberlajtnant«, bellte Schwejk und schritt langsam auf seinen Waggon zu.
Oberleutnant Lukasch ging auf dem Geleise auf und ab und dachte: Ich hätt ihm doch ein paar Ohrfeigen geben solln, und statt dessen unterhalt ich mich mit ihm wie mit einem Kameraden.
Schwejk kletterte ernst in seinen Waggon. Er empfand Achtung vor sich selbst. Nicht jeden Tag stellt man etwas so Fürchterliches an, daß man niemals erfahren darf, was es war.
»Herr Rechnungsfeldwebel«, sagte Schwejk, als er auf seinem Platz saß, »Herr Oberlajtnant Lukasch scheint heut sehr guter Laune zu sein. Er läßt Ihnen durch mich sagen, daß Sie ein |502| Esel sind, weil er Sie schon dreimal aufgefordert hat, daß Sie ihm den genauen Mannschaftsstand angeben solln.«
»Herrgott«, geriet Wanĕk in Wut, das wer ich den Zugführern einsalzen. Kann ich denn dafür, daß jeder Vagabund von einem Zugführer macht, was er will, und mir nicht den Stand vom Zug schickt? Soll ich mirn Stand ausn kleinen Finger zuzeln? Das sind Verhältnisse bei unserer Marschkompanie! Das kann nur bei der 11. Marschkompanie geschehn. Aber ich habs geahnt, ich habs gewußt. Ich hab keine Minute dran gezweifelt, daß bei uns Unordnung sein wird. Einen Tag fehln in der Küche vier Portionen, am zweiten Tag bleiben wieder drei übrig. Wenn mir diese Fallotten wenigstens melden möchten, ob jemand im Spital is. Noch vorigen Monat hab ich einen gewissen Nikodem geführt, und erst bei der Löhnung hab ich erfahren, daß der Nikodem in Budweis im Krankenhaus an galoppierender Schwindsucht gestorben is. Und fort hat man für ihn gefaßt. Eine Montur hamr für ihn gefaßt, aber Gott weiß, wohin das gekommen is. Dann sagt mir noch der Herr Oberlajtnant, daß ich ein Esel bin, wenn er selbst nicht auf Ordnung bei seiner Kompanie hält.«
Rechnungsfeldwebel Wanĕk schritt aufgeregt im Waggon auf und ab. »Ich sollt Kompaniekommandant sein! Da müßt alles klappen. Über jeden Gemeinen hätt ich eine Übersicht. Die Chargen müßten mir zweimal täglich den Stand melden. Aber wenn die Chargen zu nichts taugen! Und am ärgsten is bei uns der Zugführer Zyka. Lauter Witze, lauter Anekdoten, aber wenn ich ihm sag, daß der Kolařík von seinem Zug zum Train abkommandiert is, meldet er mir am nächsten Tag wieder denselben Stand, wie wenn sich der Kolařík noch immer bei der Kompanie und bei seinem Zug herumwälzen möcht. Und wenn sich das jeden Tag wiederholt und man dann noch von mir sagt, daß ich ein Esel bin – so macht sich der
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