Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
stürzte mit dem Bataillon über die Palisaden hervor aus der Stadt, einem Weg des Ruhmes und des Sieges zu und sah, wie Oberleutnant Lukasch mit seiner Brust den Hieb des Schwertes eines französischen Dragoners auffing, der ihm, Biegler, dem Verteidiger des belagerten Linz, galt.
Oberleutnant Lukasch stirbt zu seinen Füßen mit dem Aufschrei: »Ein Mann wie Sie, Herr Oberst, ist wichtiger als ein nichtsnutziger Oberleutnant.«
Der Verteidiger von Linz wandte sich gerührt von dem Oberleutnant ab, als eine Kartätsche geflogen kam und Biegler in die Sitzmuskeln traf.
Biegler greift mechanisch nach hinten auf die Hosen und fühlt etwas Feuchtes; etwas Klebriges schmiert sich auf seine Hand. Er schreit: »Sanität! Sanität!« und fällt vom Pferd.
|526| Kadett Biegler wurde von Batzer und Matuschitz vom Boden gehoben, wohin er von der Bank gekollert war, und wieder auf seinen Platz gelegt.
Dann ging Matuschitz zu Hauptmann Sagner und meldete ihm, daß sich mit Kadett Biegler merkwürdige Dinge ereigneten.
»Das ist sicher nicht nachn Kognak«, sagte er, »es könnt eher Cholera sein. Kadett Biegler hat überall auf den Stationen Wasser getrunken. In Wieselburg hab ich gesehn, wie er …«
»Das geht nicht so rasch mit der Cholera, Matuschitz, sagen Sie nebenan im Kupee dem Herrn Doktor, er soll sich ihn anschaun.«
Dem Bataillon war ein »Kriegsdoktor« zugeteilt, der alte Medikus und Burschenschafter Welfer. Er verstand sich aufs Trinken und aufs Raufen und hatte dabei die Medizin im kleinen Finger. Er hatte an der medizinischen Fakultät verschiedener Universitätsstädte Österreich-Ungarns studiert und in den mannigfachsten Krankenhäusern praktiziert; aber das Doktorat machte er dennoch nicht, einfach aus dem Grunde, weil das Testament, das sein Onkel hinterlassen hatte, eine Bestimmung enthielt, derzufolge die Erben dem stud. med. Friedrich Welfer bis zu dem Zeitpunkt, da dieser das Ärztediplom erhalten werde, alljährlich ein Stipendium auszahlen mußten.
Dieses Stipendium war beiläufig viermal so groß wie das Gehalt eines Assistenten im Spital, und M. U. C. Friedrich Welfer trachtete ehrlich seine Ernennung zum Dr. med. auf die entfernteste Zeit abzuschieben. Die Erben konnten toll werden. Sie erklärten ihn für einen Idioten, versuchten ihm wohlhabende Bräute aufzuzwingen, um ihn loszuwerden. Um sie noch mehr aufzubringen, veröffentlichte M. U. C. Friedrich Welfer, Mitglied von etwa zwölf Burschenschaften, einige Sammlungen recht guter Gedichte in Wien, Leipzig und Berlin. Er war Mitarbeiter des »Simplizissimus« und studierte weiter, wie wenn nichts geschehen wäre.
Dann brach der Krieg aus, der M. U. C. Friedrich Welfer schändlich in den Rücken fiel.
|527| Der Dichter der Bücher »Lachende Lieder«, »Krug und Wissenschaft«, »Märchen und Parabeln« wurde ganz ordinär einberufen, und ein Erbe im Kriegsministerium sorgte dafür, daß der biedere Friedrich Welfer das »Kriegsdoktorat« machte. Er machte es schriftlich. Mußte eine Reihe von Fragen ausfüllen, die er alle stereotyp folgendermaßen beantwortete: »Lecken Sie mich am Arsch!« Nach drei Tagen teilte der Oberst Welfer mit, daß er das Doktordiplom der gesamten Heilkunde erworben habe, daß er bereits längst reif sei für das Doktorat, daß der Oberstabsarzt ihn dem Ergänzungsspital zugeteilt habe und daß sein weiteres rasches Avancement von seinem Verhalten abhängen werde; er habe zwar in verschiedenen Universitätsstädten Duelle mit Offizieren gehabt, man wisse das alles, aber heute, im Krieg, werde das vergessen.
Der Autor des Gedichtsbuches »Krug und Wissenschaft« biß sich in die Lippen und trat den Militärdienst an.
Nachdem mehrmals festgestellt wurde, daß er sich zu den Soldaten-Patienten ungewöhnlich nachsichtig gezeigt und ihren Aufenthalt im Krankenhaus solange wie möglich verlängert hatte, während das Losungswort lautete: »Solln sie sich in den Spitälern herumwälzen oder im Schützengraben krepieren – solln sie in den Spitälern krepieren oder in der Schwarmlinie«, schickte man Doktor Welfer mit dem 11. Infanteriemarschbataillon an die Front.
Die aktiven Offiziere beim Bataillon hielten ihn für etwas Minderwertiges. Die Reserveoffiziere kümmerten sich gleichfalls nicht um ihn und knüpften keinerlei Freundschaft mit ihm an, damit die Kluft zwischen ihnen und den aktiven Offizieren nicht noch größer werde.
Hauptmann Sagner fühlte sich natürlich ungeheuer erhaben über diesen
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