Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
gewesenen M. U. C, der während der Zeit seiner langjährigen Studien mehrere Offiziere versäbelt hatte. Als Doktor Welfer, der »Kriegsdoktor«, an ihm vorüberging, schaute er ihn nicht einmal an und fuhr fort, mit Oberleutnant Lukasch über etwas ganz Belangloses zu sprechen. Er erklärte, daß man bei Budapest Kürbisse züchte, worauf Oberleutnant Lukasch erwiderte, als er im dritten Jahrgang der |528| Kadettenschule gewesen sei, wäre er mit einigen Kameraden »in Zivil« in der Slowakei gewesen, wo sie zu einem evangelischen Pfarrer, einem Slowaken, gekommen seien. Der habe ihnen zum Schweinsbraten Kürbiskraut vorgesetzt, habe dann Wein eingeschenkt und gesagt:
Kürbis, Schwein,
wollen Wein,
was ihn, Oberleutnant Lukasch, fürchterlich beleidigt habe. 4
»Von Budapest werden wir nicht viel sehen«, sagte Hauptmann Sagner, »wir fahren nur durch. Nach der Marschroute solln wir hier zwei Stunden stehn.«
»Ich glaube, man wird die Waggons verschieben«, antwortete Oberleutnant Lukasch, »wir werden auf den Rangierbahnhof gebracht werden. Er ist jetzt der Militärtransportbahnhof.«
»Kriegsdoktor« Welfer ging vorüber. »Es ist nichts«, sagte er mit einem Lächeln, »die Herren, die darauf aspirieren, mit der Zeit Armeeoffiziere zu werden und noch in Bruck im Kasino mit ihren strategisch-historischen Kenntnissen geprahlt haben, sollte man darauf aufmerksam machen, daß es gefährlich ist, ein ganzes Paket Süßigkeiten, das ihnen die Mama ins Feld schickt, auf einmal aufzuessen. Kadett Biegler, der, wie er mir gestanden hat, seit wir aus Bruck weggefahren sind, dreißig Kremerollen gegessen und überall auf den Bahnhöfen nur gekochtes Wasser getrunken hat, erinnert mich an einen Vers von Schiller, Herr Hauptmann: ›Wer sagt von …‹«
»Hören Sie, Doktor«, unterbrach ihn Hauptmann Sagner, »es handelt sich nicht um Schiller. Was ist eigentlich mit dem Kadetten Biegler los?«
»Kriegsdoktor« Welfer lachte. »Der Aspirant auf die Offizierswürde, Ihr Kadett Biegler, hat sich beschissen … Es ist keine Cholera, es ist keine Dysenterie, sondern einfach und |529| kurz gesagt, er hat sich beschissen. Er hat ein bißchen zuviel Kognak getrunken, Ihr Herr Aspirant auf die Offizierswürde hat sich bemacht … Er hätte sich offenbar auch ohne Ihren Kognak bemacht. Er hat alle Kremerollen aufgefressen, die man ihm von zu Hause geschickt hat. – Er ist ein Kind. – Im Kasino hat er, wie ich weiß, immer ein Viertel Wein getrunken. Abstinenzler.«
Doktor Welfer spuckte aus. »Er hat sich Linzerschnitten gekauft.«
»Also nichts Ernstes?« ließ sich Hauptmann Sagner vernehmen, »aber so eine Sache … wenn es sich verbreiten würde.«
Oberleutnant Lukasch stand auf und sagte zu Sagner: »Danke für so einen Zugkommandanten …«
»Ein bißchen habe ich ihm auf die Füße geholfen«, sagte Welfer, der nicht aufhörte zu lächeln, »der Herr Bataillonskommandant wird das Weitere verfügen. – Ich werde den Kadetten Biegler hier ins Spital einliefern. – Ich stell ihm ein Zeugnis aus, daß es Dysenterie ist. Ein schwerer Fall von Dysenterie, Isolierung. – Kadett Biegler kommt in die Desinfektionsbaracke.
Es ist entschieden besser«, fuhr Welfer mit demselben widerwärtigen Lächeln fort, »ein an Dysenterie erkrankter Kadett als ein beschissener Kadett zu sein …«
Hauptmann Sagner wandte sich an Lukasch in rein amtlichem Ton: »Herr Oberleutnant, Kadett Biegler von Ihrer Kompanie ist an Dysenterie erkrankt und bleibt in Budapest in Pflege.« Hauptmann Sagner schien es, als lache Welfer furchtbar herausfordernd, aber als er den »Kriegsdoktor« anblickte, sah er, daß dieser sehr gleichgültig dreinschaute.
»Es ist also alles in Ordnung, Herr Hauptmann«, antwortete Welfer ruhig, »die Aspiranten auf die Offizierswürde …«
Er winkte mit der Hand. »Bei Dysenterie macht jeder in die Hosen.«
So kam es, daß der tapfere Kadett Biegler in das Militärisolierspital in Altofen transportiert wurde.
Seine bemachten Hosen verloren sich im Wirbel des Weltkrieges.
|530| Die Träume von den großen Siegen des Kadetten Biegler waren in ein Krankenzimmer der lsolierbaracke eingeschlossen.
Als er erfuhr, daß er Dysenterie hatte, war Kadett Biegler davon aufrichtig begeistert. Es war ja gleichgültig, ob er in Ausübung seiner Pflicht für Seine Majestät den Kaiser verwundet oder krank wurde.
Dann widerfuhr ihm ein kleines Mißgeschick. Da alle Plätze für Dysenteriekranke überfüllt waren,
Weitere Kostenlose Bücher