Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
schaffte man ihn in die Cholerabaracke.
Irgendein magyarischer Stabsarzt schüttelte den Kopf, als man Kadett Biegler gebadet hatte und ihm das Thermometer unter die Achsel schob: »Siebenunddreißig Grad!« Bei Cholera ist das bedenkliche Sinken der Temperatur das ärgste Symptom. Der Kranke wird apathisch.
Kadett Biegler zeigte in der Tat keine Aufregung. Er war ungewöhnlich ruhig, während er sich im Geiste wiederholte, daß er doch für Seine Majestät den Kaiser leide.
Der Stabsarzt ließ dem Kadetten Biegler das Thermometer in den Mastdarm stecken.
Letztes Cholerastadium, dachte der Stabsarzt, Symptome der Agonie, äußerste Schwäche, der Kranke verliert den Sinn für die Umgebung, und sein Bewußtsein verschleiert sich. Er lächelt in Todeskrämpfen.
Kadett Biegler lächelte während dieser Manipulation tatsächlich wie ein Märtyrer und spielte sich als Held auf, als man ihm das Thermometer in den Mastdarm steckte. Aber er rührte sich nicht.
Symptome, dachte der Stabsarzt, die bei Cholera allmählich zum Tode führen, passive Lage …
Er fragte den Sanitätsunteroffizier noch auf magyarisch, ob Kadett Biegler in der Wanne erbrochen und Diarrhöe gehabt habe.
Als er eine verneinende Antwort erhielt, schaute er Biegler unverwandt an. Wenn bei Cholera Diarrhöe und Erbrechen schwinden, ist dies abermals, so wie die früheren Symptome, ein Bild dessen, was bei Cholera in den letzten Todesstunden zu geschehen pflegt.
|531| Kadett Biegler, der vollkommen nackt aus der warmen Wanne ins Bett getragen worden war, fror und klapperte mit den Zähnen. Sein ganzer Körper war mit Gänsehaut bedeckt.
»Sehn Sie«, sagte der Stabsarzt auf magyarisch, »großer Schüttelfrost, die Extremitäten sind kalt. Das ist das Ende.«
Zu Kadett Biegler geneigt, fragte er ihn auf deutsch: »Also wie gehts?«
»S-s-se-hr-hr gu-gu-gu-tt«, klapperte Kadett Biegler mit den Zähnen, »ei-ne De-deck-ke …«
»Bewußtsein teilweise gestört, teilweise erhalten«, sagte der magyarische Stabsarzt, »Körper sehr mager, Lippen und Nägel sollten schwarz sein. – Das ist der dritte Fall, daß mir jemand ohne schwarze Nägel und Lippen an Cholera stirbt …«
Er beugte sich über Kadett Biegler und fuhr magyarisch fort: »Der zweite Nachhall über dem Herzen hat aufgehört …«
»Ei-ei-ne-ne De-de-de-deck-ke-ke«, klapperte Kadett Biegler.
»Das, was er spricht, sind seine letzten Worte«, sagte der Stabsarzt auf magyarisch zum Sanitätsunteroffizier, »morgen werden wir ihn mit Major Koch begraben. Jetzt wird er das Bewußtsein verlieren. Seine Dokumente sind in der Kanzlei?«
»Sie wern dort sein«, antwortete der Sanitätsunteroffizier ruhig.
»Ei-ei-ne-ne De-de-de-deck-ke-ke«, klapperte Kadett Biegler hinter den sich Entfernenden her.
Im ganzen Zimmer lagen in sechzehn Betten fünf Menschen. Einer von ihnen war tot. Er war vor zwei Stunden gestorben, war mit einem Leintuch zugedeckt und hieß wie der Entdecker des Cholerabazillus. Es war Major Koch, von dem der Stabsarzt erwähnt hatte, daß er morgen zusammen mit dem Kadetten Biegler begraben werden sollte.
Kadett Biegler richtete sich im Bett auf und sah zum ersten Male, wie man für seine Majestät den Kaiser an Cholera stirbt, denn von den vier Übriggebliebenen lagen zwei im Sterben. Sie würgten und wurden blau, wobei sie etwas aus sich herausstießen, ohne daß man erkennen konnte, was und welche Sprache |532| sie redeten: Es war eher das Röcheln unterdrückter Stimmen.
Die beiden andern mit ihrer auffallend stürmischen Reaktion auf die Genesung erinnerten an von typhösem Delirium befallene Menschen. Sie schrien unverständlich und schleuderten die mageren Beine unter der Decke hervor. Über ihnen stand ein bärtiger Sanitätssoldat, der (was Kadett Biegler erkannte) einen steirischen Dialekt redete und sie beruhigte: »I hab a scho Cholera ghobt, meine goldne Herrschaft, aber i hab net in die Decke gstoßen. Jetzt is es scho fei gut mit euch. Ihr kriagts Urlaub, bis …
Wirf di net so rum«, brüllte er den einen an, der so heftig in die Decke stieß, daß sie ihm über den Kopf rutschte, »das tuat ma bei uns net. Sei froh, daß d’ Fieber hast, wenigstens wird ma di net mit Musik von hier wegführen. Ihr seid scho beide draus raus.«
Er schaute umher. »Dort san scho wieda zwa gstorben. Das hamr erwartet«, sagte er gutmütig, »seids froh, daß ihr schon draus raus seid. I muß um Leintücher gehn.«
In einer Weile kehrte er zurück. Er breitete
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