Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
in die Welt zu schicken.«
Ein gegenseitiges Geflüster zwischen Fähnrich Wolf und Oberleutnant Kolář ergab, daß Oberst Schröder während der letzten drei Wochen an sein Konto in einer Wiener Bank sechzehntausend Kronen geschickt habe.
Hierauf erzählte Oberleutnant Kolář, auf welche Weise gespart werde. Man stiehlt dem Regiment sechstausend Kronen, steckt sie in die eigene Tasche und erteilt mit konsequenter Logik an alle Küchen den Befehl, täglich jedem Mann drei Gramm Erbsen abzuzwicken.
In einem Monat macht das neunzig Gramm pro Mann, und bei jeder Kompanieküche muß wenigstens ein Vorrat von sechzehn Kilogramm Erbsen erspart werden, mit dem der Koch sich ausweisen muß.
Oberleutnant Kolář und Wolf erzählten einander nur so allgemein von bestimmten Fällen, die sie beobachtet hatten.
Es stand jedoch fest, daß es in der ganzen Militärverwaltung eine Fülle von solchen Fällen gab. Mit dem Rechnungsfeldwebel bei irgendeiner unglücklichen Kompanie fing es an, und mit dem Hamster in Generalsuniform, der Vorräte für den Nachkriegswinter anhäufte, endete es.
Der Krieg erforderte Tapferkeit auch beim Stehlen.
Die Intendanten schauten einander liebevoll an, als wollten |559| sie sagen: Wir sind ein Leib und eine Seele, wir stehlen, Kamerad, wir betrügen, Brüderlein, aber du kannst dir nicht helfen, gegen den Strom kann man schwer schwimmen. Wenn dus nicht nimmst, nimmts ein anderer und sagt noch von dir, daß du deshalb nicht stiehlst, weil du schon genug zusammengerafft hast.
Den Waggon betrat ein Herr mit roten und goldenen Lampassen. Es war wieder einer von den Generalen, die alle Strecken inspizierten.
»Setzen Sie sich, meine Herren«, nickte er leutselig, erfreut, wieder einen Transport überrascht zu haben, von dem er nicht gewußt hatte, daß er ihn hier vorfinden werde.
Als Hauptmann Sagner ihm Rapport erstatten wollte, winkte er nur mit der Hand. »Ihr Transport ist nicht in Ordnung. Ihr Transport schläft nicht. Ihr Transport sollte schon schlafen. Bei Transporten soll, wenn sie auf dem Bahnhof stehen, wie in den Kasernen um neun Uhr geschlafen werden.«
Er sagte abgehackt: »Vor neun Uhr führt man die Mannschaft zu den Latrinen hinter dem Bahnhof hinaus – und dann geht man schlafen. Sonst verunreinigt die Mannschaft in der Nacht die Strecke. Verstehn Sie, Herr Hauptmann? Wiederholen Sie mir das. Oder wiederholen Sie mirs nicht, und machen Sies so, wie ich mirs wünsche. Alarm blasen. Alles zu den Latrinen jagen. Retraite blasen und schlafen. Kontrollieren, wer nicht schläft. Strafen! Ja! Ist das alles? Abendessen um sechs Uhr verteiln.«
Er sprach jetzt von etwas in der Vergangenheit, von etwas, was nicht geschehen war und sich gewissermaßen hinter einer zweiten Ecke befand. Er stand da wie ein Phantom aus der Region der vierten Dimension.
»Abendessen um sechs Uhr verteiln«, fuhr er fort und schaute auf die Uhr, die zehn Minuten nach elf Uhr nachts zeigte. »Um halb neun Alarm, Latrinenscheißen, dann schlafen gehn. Zum Abendessen um sechs Uhr Gulasch mit Kartoffeln statt fünfzehn Deka Emmentaler.«
Dann folgte der Befehl: Bereitschaft. Hauptmann Sagner ließ also abermals Alarm blasen, und der Inspektionsgeneral, der der Aufstellung des Marschbataillons zusah, ging mit den |560| Offizieren auf und ab und redete ununterbrochen auf sie ein, als wären sie Idioten und könnten nicht gleich begreifen; dabei zeigte er auf die Zeiger der Uhr: »Also sehn Sie. Um halb neun scheißen und nach einer halben Stunde schlafen. Das genügt vollkommen. In dieser Übergangszeit hat die Mannschaft ohnedies weichen Stuhl. Hauptsächlich lege ich Gewicht auf den Schlaf. Das ist die Stärkung zu weiteren Märschen. Solange die Mannschaft im Zug ist, muß sie sich ausruhn. Wenn nicht genug Platz in den Waggons ist, schläft die Mannschaft
partieweise
. Ein Drittel der Mannschaft legt sich im Waggon bequem hin und schläft von neun bis Mitternacht und die übrigen stehn und schaun zu. Dann machen die ersten Ausgeschlafenen dem zweiten Drittel Platz, das von Mitternacht bis drei Uhr früh schläft. Die dritte Partie schläft von drei bis sechs, dann ist Reveille, und die Mannschaft wäscht sich. Während der Fahrt nicht aus dem Wagen ab-sprin-gen! Vor den Transport eine Patrouille stellen, damit die Mannschaft während der Fahrt nicht ab-springt. Wenn der Feind einem Soldaten ein Bein bricht …« Der General klopfte sich dabei aufs Bein. »…so ist das etwas Lobenswertes, aber sich
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