Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
Morgen stand der Transport noch auf dem Bahnhof, es wurde Reveille geblasen, die Soldaten wuschen sich bei den |565| Pumpen in der Eßschale, der General mit seinem Zug war noch nicht weggefahren und revidierte persönlich die Latrinen, wohin man sich dem Tagesbefehl des Bataillons gemäß unter Kommando der Schwarmkommandanten in Schwärmen begab, damit der Herr Generalmajor eine Freude habe.
Damit auch Leutnant Dub eine Freude habe, teilte ihm Hauptmann Sagner mit, daß er – Leutnant Dub – heute Inspektion habe.
Leutnant Dub beaufsichtigte also die Latrinen.
Die langgestreckte zweireihige Latrine nahm je zwei Schwärme einer Kompanie auf.
Und jetzt hockten die Soldaten hübsch einer neben dem andern über den aufgeworfenen Gräben wie Schwalben auf Telegrafendrähten, wenn sie sich im Herbst zum Flug nach Afrika rüsten.
Jedem schauten die Knie aus den herabgelassenen Hosen, jeder hatte einen Riemen um den Hals, als wollte er sich jeden Augenblick aufhängen und warte auf irgendeinen Befehl. Daran konnte man freilich die militärische eiserne Disziplin, die Organisation erkennen.
Auf dem linken Flügel saß Schwejk, der zufällig hierhergeraten war, und las mit Interesse ein aus weiß Gott welchem Roman von Růžena Jesenská herausgerissenes Blatt:
…sigen Pensionat leider Damen
es unbestimmt, tatsächlich vielleicht mehr
de größtenteils in sich abgeschlossene Ver
men in ihre Kemenaten, oder sie
eigentümliche Unterhaltung. Und wenn er auch
ging ein Mensch und seufzte ti
ch besserte, denn sie wollte nicht so sehn
zen, wie sie selbst es gewünscht hätte. Er
war nichts für den jungen Kritschka
Als er die Augen von dem Papier losriß, blickte er unwillkürlich zum Ausgang der Latrine und erstaunte. Dort stand in voller Parade der Herr Generalmajor von gestern nacht mit |566| seinem Adjutanten und neben ihm Leutnant Dub, der ihm eifrig etwas erklärte.
Schwejk schaute rund umher. Alles blieb ruhig auf der Latrine sitzen, nur die Chargen waren gewissermaßen regungslos erstarrt.
Schwejk empfand den Ernst der Situation.
Er sprang so wie er war, mit herabgelassenen Hosen, den Riemen um den Hals, noch im letzten Augenblick das Stück Papier benützend, in die Höh und brüllte:
» Einstellen!
Auf! Habt acht! Rechts schaut!« Und salutierte: Zwei Schwärme mit herabgelassenen Hosen und Riemen um den Hals erhoben sich von der Latrine.
Der Generalmajor lächelte freundlich und sagte: »Ruht! Weitermachen!« Feldwebel Malek ging seinem Schwärm mit gutem Beispiel voran und kehrte in die ursprüngliche Position zurück. Nur Schwejk stand und fuhr fort zu salutieren, denn von der einen Seite näherte sich ihm drohend Leutnant Dub und von der andern der lächelnde Generalmajor.
»Sie hab ich in der Nacht gesehen«, sagte der Generalmajor, als er die komische Positur Schwejks sah, worauf sich der aufgeregte Leutnant Dub an den Generalmajor wandte: »Melde gehorsamst, Herr Generalmajor, der Mann ist blödsinnig und als Idiot bekannt, ein notorischer Dummkopf.«
»Was sagen Sie, Herr Leutnant?« brüllte der Generalmajor Leutnant Dub plötzlich an und erklärte schreiend, daß gerade das Gegenteil der Fall sei. Ein Mann, der weiß, was sich gehört, wenn er einen Vorgesetzten sieht, und eine Charge, die ihn nicht sieht und ignoriert! Genau wie im Felde. Ein gemeiner Soldat übernimmt zur Zeit der Gefahr das Kommando. Und gerade Herr Leutnant Dub hätte selbst das Kommando geben sollen, das dieser Soldat gegeben hat: »Einstellen! – Auf! – Habt acht! Rechts schaut!«
»Hast du dir den Arsch abgewischt?« fragte der Generalmajor Schwejk.
»Melde gehorsamst, Herr Generalmajor, daß alles in Ordnung is.«
»Wjencej sratsch niebendziesch?«
|567| »Melde gehorsamst, Herr Generalmajor, daß ich fertig bin.«
»Zieh dir also die Hosen hinauf und stell dich dann wieder Habt acht!«
Da der Generalmajor dieses Habtacht ein wenig lauter sagte, fingen die Zunächstsitzenden an, von der Latrine aufzustehen.
Der Generalmajor winkte jedoch freundschaftlich mit der Hand und sagte in sanftem, väterlichem Ton: »Aber nein, ruht, ruht, nur weitermachen.«
Schwejk stand bereits in voller Parade vor dem Generalmajor, und der Generalmajor richtete eine kurze deutsche Ansprache an ihn: »Achtung vor den Vorgesetzten, Kenntnis des Dienstreglements und Geistesgegenwart bedeutet beim Militär alles. Und wenn sich dazu noch Tapferkeit gesellt, gibt es keinen Feind, den wir fürchten müßten.«
Zu Leutnant Dub
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