Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
hatte sich so gefreut, daß Oberleutnant Lukasch vielleicht schon die Sardinen vergessen hatte, und jetzt war alles aus. Der Oberleutnant wird sich sie wohl im Waggon lassen und Baloun um sie bringen. Er fühlte sich bestohlen.
»Hier sind, melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, Ihre Sardinen«, sagte er bitter, die Büchse dem Eigentümer übergebend. »Soll ich sie aufmachen?«
»Schon gut, Baloun, laß es gehn und trag die Büchse wieder an ihren Ort. Ich wollte mich nur überzeugen, ob du nicht hineingeguckt hast. Mir kam vor, als du den Kaffee brachtest, daß du den Mund fett hast wie von Öl. Ist Schwejk schon gegangen?«
»Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, daß er schon gegangen is«, meldete Baloun aufgeheitert. »Er hat gesagt, der |570| Herr Oberlajtnant wird zufrieden sein, und daß den Herrn Oberlajtnant alle beneiden wern. Er is irgendwohin ausn Bahnhof gegangen und hat gesagt, daß er hier alles bis nach Rákos-Palota kennt. Wenn der Zug vielleicht ohne ihn wegfahren sollt, daß er zur Automobilkolonne gehen wird und uns auf der nächsten Station mitn Automobil einholn wird. Wir solln keine Sorge um ihn ham, er weiß, was seine Pflicht is, und wenn er sich auf seine Kosten einen Fiaker nehmen sollt, mit ihm dem Transport bis nach Galizien nachfahren müßt. Später kann mans ihm von der Löhnung abziehn. Auf keinen Fall solln Sie herich um ihn Angst ham, Herr Oberlajtnant.«
»Schieb ab«, sagte Oberleutnant Lukasch traurig.
Aus der Kommandokanzlei brachte man die Nachricht, daß erst Nachmittag um zwei Uhr nach Gödöllö-Aszód gefahren werde und daß man auf den Bahnhöfen für die Offiziere je zwei Liter roten Wein und eine Flasche Kognak fassen werde. Es hieß, daß es sich um irgendeine in Verlust geratene Sendung fürs Rote Kreuz handle. Wie immer sich dies auch verhalten mochte, die Spirituosen waren geradewegs vom Himmel gefallen, und im Stabswaggon gings lustig zu. Der Kognak hatte drei Sternchen, und der Wein war von der Marke Gumpoldskirchen.
Nur Oberleutnant Lukasch war unablässig irgendwie beklommen. Es war bereits eine Stunde verflossen, und Schwejk kam noch immer nicht zurück. Nach einer weiteren halben Stunde näherte sich dem Stabswaggon ein sonderbarer Zug, der aus der Kanzlei des Bahnhofskommandos herausgetreten war.
Voran ging Schwejk, ernst und würdevoll wie die ersten christlichen Märtyrer, als man sie in die Arena schleppte.
Zu beiden Seiten je ein magyarischer Honvéd mit aufgepflanztem Bajonett. Auf dem linken Flügel ein Zugführer vom Bahnhofskommando, hinter ihm eine Frau in einem roten, gefalteten Rock und ein Mann in ungarischen Stiefeln, mit rundem Hütchen und verbeultem Aug, eine lebende, geängstigt schreiende Henne tragend.
Das alles kletterte in den Stabswaggon, aber der Zugführer |571| brüllte den Mann mit der Henne auf magyarisch an, er möge unten bleiben.
Als Schwejk Oberleutnant Lukasch erblickte, blinzelte er ihm bedeutungsvoll zu.
Der Zugführer wollte mit dem Kommandanten der 11. Marschkompanie sprechen. Oberleutnant Lukasch nahm von ihm ein Aktenstück des Stationskommandos in Empfang, in dem er erbleichend las:
An das Kompaniekommando der 11. Marschkompanie des Marschbataillons 91. k. u. k. Infanterieregiments zur weiteren Amtshandlung. Vorgeführt wird Infanterist Schwejk, Josef, nach seiner Angabe Ordonnanz derselben Marschkompanie des Marschbataillons des k. u. k. 91. Infanterieregiments, wegen Verbrechens der Plünderung, begangen an den Ehegatten Istwan in Isatarcsa im Rayon des Bahnhofskommandos.
Gründe
: Infanterist Schwejk, Josef, der sich einer hinter dem Hause der Istwangatten (ein im Original fabelhaft neugebildetes deutsches Wort) in Isatarcsa im Rayon des Bahnhofskommandos herumlaufenden, den Istwangatten gehörenden Henne bemächtigt hat und dem Eigentümer, der ihn anhielt, um ihm die Henne abzunehmen, um dies zu verhindern, mit der Henne in das linke Auge schlug, wurde von der herbeigerufenen Patrouille angehalten und zu seinem Truppenteil eingeliefert, worauf die Henne dem Eigentümer zurückgegeben wurde.
Unterschrift des diensthabenden Offiziers.
Als Oberleutnant Lukasch die Bestätigung über den Empfang Schwejks unterschrieb, zitterten seine Knie unter ihm.
Schwejk stand so nahe bei Oberleutnant Lukasch, daß er sah, wie dieser das Datum hinzuzufügen vergaß.
»Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant«, ließ er sich vernehmen, »daß heut der vierundzwanzigste is. Gestern war der 23. Mai, wo uns Italien den
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