Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
er sich aus dem Fenster beugte: »Was wollt ihr hier, Bagage?«
»Benimm dich würdevoll«, ermahnte Schwejk und schob Kunert voraus in den Waggon.
Im Gang zeigte sich Oberleutnant Lukasch und hinter ihm Hauptmann Sagner.
Oberleutnant Lukasch, der mit Schwejk bereits so viel erlebt hatte, war ungeheuer überrascht, denn Schwejk betrug sich nicht mehr so gutmütig ernst wie sonst; auch sein Gesicht hatte nicht mehr den bekannten gutmütigen Ausdruck, sondern kündigte eher neue unangenehme Ereignisse an.
|637| »Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant«, sagte Schwejk, »die Sache geht zum Rapport.«
»Blödl nur nicht wieder, Schwejk, ich hab gerade genug davon.«
»Erlauben Sie gefälligst«, sagte Schwejk, »ich bin Ordonnanz bei Ihrer Kompanie, Sie sind Kompaniekommandant der 11. Kompanie. Ich weiß, daß es schrecklich komisch aussieht, aber ich weiß auch, daß Herr Lajtnant Dub Ihr Untergebener is.«
»Sie sind ganz verrückt geworden, Schwejk«, fiel ihm Oberleutnant Lukasch ins Wort, »Sie sind besoffen, und Sie tun besser, wenn Sie weggehn! Verstehst du, du Blödian, du Rindvieh!«
»Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant«, sagte Schwejk, Kunert vor sich schiebend, »es sieht grad so aus, wie einmal, wie man in Prag einen Versuch mit einem Schutzrahmen gegens Überfahrenwerden von der Elektrischen gemacht hat. Der Herr Erfinder hat sich selbst fürn Versuch geopfert, und dann hat die Stadt seiner Witwe Schadenersatz zahln müssen.«
Hauptmann Sagner, der nicht wußte, was er sagen sollte, nickte zustimmend mit dem Kopf, während Oberleutnant Lukasch verzweifelt schien.
»Alles muß nachn Rapport gehn, melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant«, fuhr Schwejk unerbittlich fort, »noch in Bruck ham Sie mir gesagt, Herr Oberlajtnant, daß, wenn ich Kompanieordonnanz bin, daß ich noch andere Pflichten hab als bloß die Befehle. Daß ich von allem, was in der Kompanie vorgeht, informiert sein soll. Auf Grund dieses Befehls erlaube ich mir, Ihnen zu melden, Herr Oberlajtnant, daß Herr Lajtnant Dub mir nix dir nix seinen Burschen abgeohrfeigt hat. Ich möchts, melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, von mir aus nicht sagen. Wenn ich aber seh, daß Herr Lajtnant Dub Ihrem Kommando zugeteilt is, so hab ich mir vorgenommen, daß es vorn Rapport kommen muß.«
»Das is eine merkwürdige Angelegenheit«, sagte Hauptmann Sagner, »warum schleppen Sie diesen Kunert her, Schwejk?«
»Melde gehorsamst, Herr Bataillonskommandant, daß alles |638| nachn Rapport gehn muß. Er is dumm, er is vom Herrn Lajtnant Dub abgeohrfeigt worn, und er kann sichs nicht leisten, daß er allein zum Rapport geht. Melde gehorsamst, Herr Hauptmann, wenn Sie sich ihn anschaun möchten, wie ihm die Knie zittern, er is ganz tot, daß er zum Rapport gehn muß. Und wenn ich nicht wär, möcht er vielleicht überhaupt nicht zum Rapport gehn, wie der Kudela aus Bytouchow, was im aktiven Dienst solang zum Rapport gegangen is, bis er zur Marine versetzt worn is, wo er Kornett geworn is und dann auf einer Insel im Stillen Ozean als Deserteur berühmt geworn is. Er hat dann dort geheiratet und hat auch mitn Weltreisenden Hawlasa gesprochen, und der hat überhaupt nicht erkannt, daß es kein Eingeborener is. – Es is überhaupt sehr traurig, wenn jemand wegen solchen paar blöden Ohrfeigen zum Rapport gehn soll. Aber er wollt überhaupt nicht hergehn, weil er gesagt hat, daß er nicht hergehn wird. Es is überhaupt so ein abgeohrfeigter Bursch, daß er nicht mal weiß, um welche Ohrfeige sichs hier handelt. Er wär überhaupt nicht hergegangen, er hat überhaupt nicht zum Rapport gehn wolln, er läßt sich manchmal noch mehr verprügeln. Melde gehorsamst, Herr Hauptmann, schaun Sie sich ihn an, er is davon schon ganz beschissen. Und auf der andern Seite wieder hat er sich gleich beschweren solln, daß er diese paar Ohrfeigen gekriegt hat, aber er hat sich nicht getraut, weil er gewußt hat, daß es besser is, wie dieser Dichter geschrieben hat, ein bescheidenes Veilchen zu sein. Er dient nämlich bei Herrn Lajtnant Dub.«
Kunert vor sich her schiebend, sagte Schwejk: »Zitter nicht fort wie eine Eiche im Sturm!«
Hauptmann Sagner fragte Kunert, was eigentlich geschehen sei.
Kunert sagte aber, am ganzen Körper zitternd, der Herr Hauptmann möge den Herrn Leutnant Dub fragen, dieser habe ihn überhaupt nicht geohrfeigt.
Unablässig am ganzen Körper zitternd, erklärte Judas-Kunert sogar, Schwejk habe sich das Ganze überhaupt ausgedacht.
Dieser
Weitere Kostenlose Bücher