Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
peinlichen Begebenheit bereitete Leutnant Dub ein |639| Ende, der plötzlich auftauchte und Kunert anbrüllte: »Willst du noch ein paar Ohrfeigen bekommen?«
Die Sache war also ganz klar, und Hauptmann Sagner sagte einfach zu Leutnant Dub: »Kunert ist von heute an der Bataillonsküche zugeteilt und bezüglich eines neuen Burschen wende dich an Rechnungsfeldwebel Wanĕk.«
Leutnant Dub salutierte, und während er sich entfernte, sagte er nur zu Schwejk: »Ich wette, daß Sie einmal hängen werden.«
Als er verschwunden war, wandte sich Schwejk an Oberleutnant Lukasch und sagte in sanftem, freundschaftlichem Ton: »In Münchengrätz war auch so ein Herr und hat so mit einem andern geredet, und der hat ihm geantwortet: ›Aufn Richtplatz sehn wir uns wieder.‹«
»Schwejk«, sagte Oberleutnant Lukasch, »Sie sind aber blöd; unterstehn Sie sich nicht, mir zu sagen, wie Sies in der Gewohnheit haben: ›Melde gehorsamst, daß ich blöd bin.‹«
»Frappant«, ließ sich Hauptmann Sagner vernehmen, der sich aus dem Fenster beugte; er wäre gern zurückgetreten, hatte aber keine Zeit mehr dazu, denn es geschah ein Unglück: Leutnant Dub tauchte unter dem Fenster auf.
Leutnant Dub sagte, er bedaure sehr, daß Hauptmann Sagner fortgegangen sei, ohne seine Begründung der Offensive an der Ostfront anzuhören.
»Wenn wir die ungeheure Offensive verstehen sollen«, rief Leutnant Dub zum Fenster hinauf, »müssen wir uns vergegenwärtigen, wie sich die Offensive Ende April entwickelt hat. Wir mußten die russische Front durchbrechen und haben erkannt, daß der günstigste Ort für diesen Durchbruch die Front zwischen den Karpaten und der Weichsel ist.«
»Ich streit mich darüber nicht mit dir«, entgegnete Hauptmann Sagner trocken und trat vom Fenster zurück.
Als man eine halbe Stunde später die Fahrt nach Sanok fortsetzte, streckte sich Hauptmann Sagner auf der Bank aus; er tat, als ob er schliefe, damit Leutnant Dub inzwischen seine abgedroschenen Ausführungen der Offensive vergesse.
In dem Waggon, wo Schwejk war, fehlte Baloun. Er hatte |640| nämlich die Erlaubnis erwirkt, den Gulaschkessel mit Brot auswischen zu dürfen. Jetzt befand er sich auf dem Waggon mit den Feldküchen in einer unangenehmen Situation, denn als der Zug den Kessel in Bewegung gesetzt hatte, war Baloun kopfüber in den Kessel geflogen und nur seine Füße schauten daraus hervor. Er gewöhnte sich jedoch an diese Situation; aus dem Kessel tönte ein Schmatzen, wie wenn ein Igel Schaben jagt, und später erscholl dann Balouns bittende Stimme: »Ich bitt euch, Kameraden, um Gottes willen, werft mir ein Stückl Brot herein, es is noch viel Soße hier.« Diese Idylle dauerte bis zur nächsten Station, wo die 11. Kompanie mit einem so gut gesäuberten Kessel anlangte, daß die Verzinnung nur so glänzte.
»Vergelts euch der liebe Herrgott, Kameraden«, dankte Baloun herzlich. »Zum erstenmal, seit ich beim Militär bin, hat mich das Glück angelächelt.«
Und dem war in der Tat so. Im Lubkapaß hatte Baloun zwei Portionen Gulasch erhalten; Oberleutnant Lukasch hatte seine Zufriedenheit darüber geäußert, daß ihm Baloun aus der Offiziersküche die unberührte Menage gebracht hatte, und ließ ihm eine gute Hälfte übrig. Baloun war vollkommen glücklich, baumelte mit den Beinen, die aus dem Waggon heraushingen, und mit einem Male schien ihm dieser Krieg etwas Trauliches, Familiäres zu sein.
Der Kompaniekoch fing an, ihn zum besten zu halten: Man werde, bis man in Sanok eintreffen werde, Nachtmahl und noch ein Mittagessen kochen, denn dieses Nachtmahl und Mittagessen gebühre ihnen für die ganze Reise, während der sie es nicht erhalten hatten. Baloun nickte nur beifällig mit dem Kopf und flüsterte: »Ihr werdet sehn, Kameraden, Gott wird uns nicht verlassen.«
Darüber lachten alle aufrichtig, und der Koch sang, auf der Feldküche sitzend:
Jupheidija, juphijda,
Gott, der Gnädge, ist stets nah.
Wirft er uns auch in den Dreck,
Zieht er uns draus wieder weg,
|641| Setzt er uns auf trocken Brot,
Hilft er wieder aus der Not.
Jupheidija, juphijda,
Gott, der Gnädge, ist stets da.
Hinter der Station Sczawna tauchten wiederum in den Tälern neue Soldatenfriedhöfe auf. Unterhalb Sczawna konnte man vom Zuge aus ein steinernes Kreuz mit einem Christus ohne Kopf sehen. Er hatte bei der Beschießung der Strecke den Kopf verloren.
Der Zug beschleunigte seine Geschwindigkeit, während er hinunter ins Tal und auf Sanok zueilte, die
Weitere Kostenlose Bücher