Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
Privathäuser, wie sich gerade die Gelegenheit bot; wenn er über die Straße ging, knurrten ihn die Hunde an, die er einst gestohlen hatte, und oft, wenn er vor einem Schaufenster stand, hob irgendein rachsüchtiger Hund hinter seinem Rücken ein Beinchen hoch und benäßte ihm die Hosen.
Am Morgen des folgenden Tages um acht Uhr konnte man den braven Soldat Schwejk an der Ecke des Hawlitschekplatzes beim Park auf und ab gehen sehen. Er wartete auf das Dienstmädchen mit dem Stallpinscher. Endlich kam sie, und ein bärtiger, struppiger Hund mit rauhem Fell und klugen, schwarzen Augen lief an ihm vorbei. Er war munter wie alle Hunde, wenn sie ihre Notdurft verrichtet haben, und rannte auf die Spatzen zu, die auf der Straße Pferdemist frühstückten.
Dann ging diejenige an Schwejk vorbei, die den Hund zu betreuen hatte. Es war ein älteres Mädchen mit manierlich zu einem Kranz geflochtenem Haar. Sie pfiff dem Hund und schwenkte das Kettchen und die elegante Hundspeitsche in der Hand hin und her.
Schwejk sprach sie an: »Verzeihn Sie, Fräulein, wo geht man hier nach Zižkov?«
Sie blieb stehen und blickte ihn an, ob er es auch aufrichtig meine, doch das gutmütige Gesicht Schwejks sagte ihr, daß |207| der Soldat wohl wirklich nach Zižkov gehen wolle. Der Ausdruck ihres Gesichtes wurde weich, und sie erklärte ihm entgegenkommend, wie er nach Zižkov zu gehen habe.
»Ich bin erst unlängst nach Prag versetzt worn«, sagte Schwejk, »ich bin kein Hiesiger, ich bin vom Land. Sie sind auch nicht aus Prag?«
»Ich bin aus Vodňan.«
»Da sind wir ja nicht weit voneinander her«, antwortete Schwejk, »ich bin aus Protiwin.«
Diese Kenntnis des böhmischen Südens, die er sich einmal bei den Manövern angeeignet hatte, erfüllte das Herz des Mädchens mit heimatlicher Wärme.
»Da kennen Sie wohl auch in Protiwin aufm Ring den Fleischer Pejchar?«
»Wie denn nicht! Das ist mein Bruder. Den ham bei uns alle gern«, sagte Schwejk, »er is sehr brav, dienstfertig, hat gutes Fleisch und gibt gute Waage.«
»Sind Sie nicht einer von Jareschs?« fragte das Mädchen, das mit dem unbekannten Soldaten zu sympathisieren begann. »Ja.«
»Und von welchem Jaresch, von dem aus Krtsch bei Protiwin oder aus Ražitz?«
»Aus Ražitz.«
»Fährt er noch mit Bier herum?«
»Noch immer.«
»Aber er muß doch schon hübsch weit über sechzig sein?«
»Achtundsechzig war er heuer im Frühjahr«, entgegnete Schwejk ruhig, »jetzt hat er sich einen Hund angeschafft, und da fährt sichs ihm fein. Der Hund sitzt ihm am Wagen. Grad so ein Hund wie der dort, was die Spatzen jagt. Ein hübscher Hund, ein feines Tier.«
»Der gehört uns«, erklärte ihm seine neue Bekannte, »ich dien hier beim Herrn Oberst. Sie kennen nicht unsern Herrn Oberst?«
»Ja, das is mir ein schöner Intellektueller«, sagte Schwejk, »bei uns in Budweis war auch so ein Oberst.«
»Unser Herr is streng, und wies neulich geheißen hat, daß |208| man uns in Serbien eins aufgewichst hat, is er ganz wütend nach Haus gekommen und hat in der Küche alle Teller heruntergeworfen und hat mir kündigen wolln.«
»Das is also euer Hund!« unterbrach sie Schwejk, »das is schad, daß mein Oberlajtnant keinen Hund ausstehn kann, ich hab Hunde sehr gern.« Er verstummte und stieß plötzlich hervor: »Jeder Hund frißt aber auch nicht alles.«
»Unser Fox klaubt sich sehr, eine Zeitlang wollt er überhaupt kein Fleisch essen, bis wieder jetzt.«
»Und was frißt er am liebsten?«
»Leber, gekochte Leber.«
»Kalbs- oder Schweinsleber?«
»Das is ihm egal«, lachte die »Landsmännin«, die die letzte Frage für einen mißlungenen Witz hielt.
Sie gingen noch ein wenig spazieren, dann schloß sich ihnen auch der Stallpinscher an, der an die Kette genommen wurde. Er benahm sich Schwejk gegenüber recht zutraulich, versuchte ihm wenigstens mit dem Maulkorb die Hose zu zerreißen, sprang an ihm empor, und plötzlich, als fühlte er, was Schwejk mit ihm plane, hörte er auf zu springen und ging traurig und bestürzt weiter, während er Schwejk von der Seite anblickte, als wollte er sagen: Wartet das also auch auf mich?
Dann sagte das Mädchen noch, daß sie auch jeden Abend um sechs Uhr mit dem Hunde herkomme, daß sie keinem Mann aus Prag traue, daß sie einmal in der Zeitung annonciert habe und daß sich ein Schlosser mit Heiratsabsichten gemeldet und ihr achthundert Kronen für irgendeine Erfindung herausgelockt habe und verschwunden sei. Am Land sind die
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