Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
Sie sich im Spiegel an. Ist Ihnen nicht schlecht von Ihrem blöden Ausdruck? Sie sind der dümmste Scherz der Natur, den ich je gesehen habe. Nun, sagen Sie die Wahrheit, Schwejk. Gefalln Sie sich?«
»Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, ich gefall mir nicht, ich bin in diesem Spiegel ganz schief oder so was. Es ist kein geschliffener Spiegel. Da ham sie mal beim Chinesen Stanek so einen bauchigen Spiegel gehabt, und wenn sich jemand hineingeschaut hat, hat er geglaubt, er muß kotzen. Das Maul so, der Kopf wie ein Geschirrschaff, der Bauch wie von einem besoffenen Kanonikus, kurz, eine feine Nummer. Der Herr Statthalter is vorbeigegangen, hat hineingeschaut, und gleich ham sie den Spiegel heruntergeben müssen.«
Der Oberleutnant kehrte sich ab, seufzte und hielt es für angezeigt, sich statt mit Schwejk lieber mit dem weißen Kaffee abzugeben.
Schwejk hantierte bereits in der Küche, und Oberleutnant Lukasch vernahm seinen Gesang:
|225| Grenevill zieht in den Krieg durch das Tor in voller Zier.
Auf den Helm die Sonne scheint, und das hübsche
Mädel weint …
Und Schwejk fuhr fort:
Wir Soldaten, wir sind Herrn,
uns haben die Mädel gern,
fassen Löhnung jeden Tag,
kennen keine Sorg und Plag …
Dir gehts freilich gut, Lackl, dachte der Oberleutnant und spuckte aus.
In der Tür zeigte sich Schwejks Kopf. »Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, man is hier aus der Kaserne um Sie, Sie solln augenblicklich zum Herrn Oberst kommen, die Ordonnanz is da.«
Und vertraulich fügte er hinzu: »Vielleicht wirds wegen dem Hunterl sein.«
»Ich hab schon gehört«, sagte der Oberleutnant, als sich die Ordonnanz im Vorzimmer bei ihm melden wollte.
Das sagte er mit bedrückter Stimme und entfernte sich mit einem vernichtenden Blick auf Schwejk.
Es war kein Rapport, es war etwas Ärgeres. Der Oberst saß äußerst mürrisch in einem Fauteuil, als der Oberleutnant seine Kanzlei betrat.
»Vor zwei Jahren, Herr Oberleutnant«, sagte der Oberst, »haben Sie sich gewünscht, nach Budweis zum 91. Regiment versetzt zu werden. Wissen Sie, wo Budweis liegt? An der Moldau, ja an der Moldau, und es mündet dort die Eger oder etwas Ähnliches. Die Stadt ist groß, sozusagen freundlich, und wenn ich mich nicht irre, hat sie einen Kai. Wissen Sie, was ein Kai ist? Das ist eine Mauer, die über dem Wasser erbaut ist. Jawohl. Übrigens gehört das nicht hierher. Wir haben dort Manöver abgehalten.«
Der Oberst verstummte, und während er ins Tintenfaß blickte, ging er schnell zu einem andern Thema über: »Mein |226| Hund hat sich bei Ihnen den Magen verdorben. Er will nichts fressen. Da schau her, im Tintenfaß ist eine Fliege. Das ist merkwürdig, daß auch im Winter Fliegen ins Tintenfaß fallen. Ist das eine Unordnung.«
Also äußer dich schon, alter Schöps, dachte der Oberleutnant.
Der Oberst stand auf und ging einige Male in der Kanzlei auf und ab.
»Ich habe lange nachgedacht, Herr Oberleutnant, was ich Ihnen eigentlich tun soll, damit sich so was nicht wiederholen kann, und habe mich erinnert, daß Sie gewünscht haben, zum 91. Regiment versetzt zu werden. Das Oberkommando hat uns neulich mitgeteilt, daß beim 91. Regiment ein großer Mangel an Offizieren herrscht, weil die Serben alles erschlagen haben. Ich verbürge mich Ihnen mit meinem Ehrenwort, daß Sie binnen drei Tagen beim 91. Regiment in Budweis sein werden, wo man ein Marschbataillon formiert. Sie müssen nicht danken. Die Armee braucht Offiziere, die …«
Und da er nicht wußte, was er noch sagen sollte, schaute er auf die Uhr und sprach: »Es ist halb elf, höchste Zeit, zum Regimentsrapport zu gehen.«
Damit war das angenehme Gespräch beendet, und dem Oberleutnant war bedeutend leichter zumut, als er die Kanzlei verließ und die Einjährigfreiwilligenschule betrat, wo er die Mitteilung machte, daß er in den nächsten Tagen an die Front fahren und deshalb einen Abschiedsabend in der Nekázanka veranstalten werde.
Als er nach Hause kam, sagte er Schwejk bedeutungsvoll: »Wissen Sie, was ein Marschbataillon ist, Schwejk?«
»Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, ein Marschbataillon is ein Marschbatjak, und eine Marschka is eine Marschkumpatschka 1 . Wir kürzens immer so ab.«
»Also Schwejk«, sagte der Oberleutnant mit feierlicher Stimme, »ich teile Ihnen mit, daß Sie mit mir mit dem Marschbatjak abgehn werden, wenn Ihnen diese Abkürzung lieber ist. |227| Aber glauben Sie nicht, daß Sie an der Front solche Blödheiten anstellen werden wie
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