Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
suchen und darf an nichts anderes denken als daran, seinen Pflichten nachzukommen, die ihm im Dienstreglement vorgeschrieben sind. Wenn er auf dem Schlachtfeld fällt, soll er noch vor dem Tod salutieren. Wer nicht salutieren |218| kann, wer tut, als ob er nicht sehen würde oder nachlässig salutiert, ist bei mir eine Bestie.«
»Herr Oberleutnant«, sagte Oberst Kraus mit entsetzlicher Stimme, »die niedrigere Charge muß der höheren immer die Ehrenbezeigung leisten. Das hat sich nicht geändert. Und zweitens: Seit wann haben sich die Herren Offiziere angewöhnt, mit gestohlenen Hunden spazierenzugehn? Jawohl, mit gestohlenen Hunden. Ein Hund, der einem anderen gehört, ist gestohlen.«
»Dieser Hund, Herr Oberst …«, wandte der Oberleutnant ein.
»Gehört mir, Herr Oberleutnant«, unterbrach ihn der Oberst scharf, »es ist mein Fox.«
Und Fox oder Max erinnerte sich seines alten Herrn und merzte den neuen völlig aus seinem Herzen aus; er riß sich los, sprang auf den Oberst zu und bezeugte eine Freude, wie ihrer ein verliebter Sextaner fähig ist, wenn er bei seinem Ideal Verständnis findet.
»Mit gestohlenen Hunden herumzugehn, Herr Oberleutnant, verträgt sich nicht mit der Offiziersehre. Nicht gewußt? Ein Offizier kann keinen Hund kaufen, wenn er sich nicht überzeugt hat, daß er ihn ohne Folgen kaufen kann!« wetterte Oberst Kraus weiter, während er Fox-Max streichelte, der aus Niedertracht den Oberleutnant anzuknurren und die Zähne zu fletschen begann, als hätte ihm der Oberst, auf den Oberleutnant zeigend, gesagt: »Faß ihn!« »Herr Oberleutnant«, fuhr der Oberst fort, »halten Sie es für richtig, auf einem gestohlenen Pferd zu reiten? Haben Sie nicht in der ›Bohemia‹ und im ›Tagblatt‹ die Anzeige gelesen, daß mir ein Stallpinscher verlorengegangen ist? Sie haben nicht das Inserat gelesen, das Ihr Vorgesetzter in die Zeitung gegeben hat?«
Der Oberst schlug die Hände zusammen.
»Wahrhaftig, diese jungen Offiziere! Wo ist die Disziplin? Der Oberst veröffentlicht Inserate, und der Oberleutnant liest sie nicht.«
Wenn ich dir, du alter Trottel, paar Ohrfeigen geben könnt, dachte Oberleutnant Lukasch, den Backenbart des Obersten betrachtend, der an einen Orang-Utan erinnerte.
|219| »Kommen Sie auf eine Minute mit mir«, sagte der Oberst. So gingen sie denn und führten ein erquickliches Gespräch.
»An der Front, Herr Oberleutnant, kann Ihnen so eine Sache ein zweites Mal nicht passieren. Im Hinterland mit gestohlenen Hunden spazierengehn ist gewiß sehr angenehm. Jawohl! Mit dem Hund seines Vorgesetzten spazierengehn. In einer Zeit, wo wir täglich auf dem Schlachtfeld Hunderte Offiziere verlieren. Und Inserate werden nicht gelesen. Da könnt ich hundert Jahre inserieren, daß mir ein Hund verlorengegangen ist. Zweihundert Jahre, dreihundert Jahre!«
Der Oberst schneuzte sich laut, was bei ihm stets das Zeichen großer Aufregung war, und sagte: »Sie können weiter spazierengehn«, drehte sich um und entfernte sich, mit der Reitpeitsche wütend auf die Enden seines Offiziersmantels klopfend.
Oberleutnant Lukasch ging auf das gegenüberliegende Trottoir und vernahm abermals ein: »Halt!« Der Oberst hielt gerade einen unglücklichen Infanteristen, einen Reservisten, an, der an seine Mutter daheim gedacht und ihn übersehen hatte.
Der Oberst zog ihn eigenhändig in die Kaserne zur Bestrafung, wobei er ihn Meerschwein schimpfte.
Was mach ich mit diesem Schwejk? dachte der Oberleutnant. Ich zerschlag ihm das Maul, aber das genügt nicht. Sogar Riemen vom Leib schneiden ist für diesen Lumpen zuwenig. Ungeachtet dessen, daß er mit einer Dame zusammentreffen sollte, wandte er sich aufgeregt seinem Heim zu.
Ich erschlag ihn, den Kerl! sagte er sich, als er sich in die Elektrische setzte.
Inzwischen war der brave Soldat Schwejk in eine Unterredung mit der Ordonnanz aus der Kaserne verstrickt. Der Soldat hatte dem Oberleutnant einige Schriftstücke zur Unterschrift gebracht und wartete jetzt.
Schwejk bewirtete ihn mit Kaffee, und sie sprachen davon, daß Österreich den Krieg verlieren werde.
Sie führten dieses Gespräch, als handelte es sich um die natürlichste Sache der Welt. Es war eine unendliche Reihe von |220| Aussprüchen, von denen jedes Wort sicherlich bei Gericht als Hochverrat definiert worden wäre und beide an den Galgen gebracht hätte.
»Seine Majestät der Kaiser muß davon ganz blöd sein«, erklärte Schwejk, »er war nie gescheit, aber dieser Krieg
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