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Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Titel: Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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Stunden lang hatte er in Katalogen geblättert –, die Teppiche, die aus Griechenland bestellt werden mussten, wo sie von einem exklusiven Händler direkt aus Persien bezogen wurden, die Vorhänge, die Lampen aus Italien; dass alles, was wir außerhalb unserer Haut waren , aus dem Vermögen bestritten wurde, das Momas Vater in der unvordenklichen Vorzeit des Jahrhundertbeginns erworben und in der Schweiz deponiert hatte, darunter bestimmt auch Aktien. Immer wieder war in unserer Familie darüber gesprochen worden; ich war doch dabei gewesen, war in der Filiale in der Züricher Bahnhofstraße in einem Lederfauteuil, buchenlaubfarben wie Papas Schuhe, gesessen und hatte die Ohren gespitzt, als uns der nette Herr von der Schweizerischen Bankgesellschaft SBG vorrechnete, was unser war, und uns dazu gratulierte – wie konnte ich das vergessen haben! Und ich erzählte meinen Eltern von Standard Oil und anderem naseweisen Zeug, und Leif Lundin tat vor meiner Mutter, als hätte er höchstpersönlich das Geld erfunden!
    Bevor ich mich auf Leif eingelassen hatte, war ich mit einigen aus meiner Klasse im Schwimmbad gewesen, ich war Kopf voraus vom Fünfmeterbrett gesprungen, und es war applaudiert worden; oder ich war mit zwei Burschen in die Illschlucht hinuntergeklettert, und wir hatten unsere Silche und Haken nach Fischen ausgelegt und hatten auf einer Kiesbank ein Feuer gemacht und es mit ausgetrocknetem Schwemmholz gefüttert, und ich hatte ihnen gezeigt, wie man einen Fisch ausnimmt und auf eine Rute steckt und über der Glut brät. Für ein Mädchen aus Leifs Klasse interessierte ich mich, ihre braunen Haare rahmten ihr Gesicht ein, und wenn sie lächelte, verzog sie den Mund zu einer Welle, das war schön anzusehen, und aus der Art, wie sie meinen Namen aussprach, schloss ich, dass sie sich für mich interessierte. Ich fühlte mich sehr wohl in ihrer Gegenwart, oft trug sie ein blaues, enges Jäckchen und Slipper mit Kunststoffabsätzen, und sie hatte flaumige Arme. Wenn sie ging, löste sie nur langsam den Blick, ihr Körper drehte sich davon, aber ihre Augen blieben noch eine Weile bei mir. – Viele hatten meine Freunde sein wollen.
    Auf der Straße fragte ich Leif – es war ein warmer, sonniger Nachmittag Anfang März –, ob wir nicht ausnahmsweise nach draußen gehen sollten, durch den Auwald an der Ill entlangspazieren, wir könnten Stöcke schnitzen oder Schleudern schneiden und mit Kieselsteinen auf Bäume schießen oder einen Ball mitnehmen und ihn beim Gehen vor uns hertreiben und einmal, einmal wenigstens nicht über Geld reden – letzteres sagte ich nicht, aber die Stöcke, die Schleudern, die Bäume und der Ball meinten genau das. Er wollte in der Garage bleiben, und dass ich gefragt hatte, verstimmte ihn noch mehr. Sein Blick wurde fanatisch, ein Tyrann, der kein Schielen duldet, kein Wegschauen, der Beute machen will. Ich sagte, es tue mir leid, und setzte mich neben ihn in den Bus nach Liechtenstein. Ich nahm mir vor, am Wochenende allein einen langen Spaziergang zu unternehmen und anschließend ausgiebig zu kochen, Tafelspitz mit Spinat und Bratkartoffeln, Apfelkren, Semmelkren und eine Schnittlauchsoße dazu und als Nachtisch Vanillepudding mit Himbeersirup. Aber es freute mich dann doch nicht.
    Was freute mich eigentlich? – Geld.
     

4
     
    Leifs schulische Leistungen verbesserten sich »dramatisch«. Sein Vater bot mir an, mich für meine »intelligenteste und brüderlichste« Nachhilfe zu bezahlen. Ich solle es aber seinem Sohn nicht verraten und auch nicht seiner Frau, sie würden es bestimmt als Eingeständnis einer Niederlage werten.
    Herr Lundin und ich waren zufällig vor der Tür der Villa aufeinandergestoßen, als er mir diesen Vorschlag unterbreitete. Ich wollte mich gerade rechtfertigen, was ich hier oben zu suchen hätte, dass Leif mich gebeten habe, uns ein paar Flaschen Limonade zu holen. »Du sollst dich hier zu Hause fühlen«, unterbrach er mich und legte seine Hände auf meine Schultern und wiederholte, was er schon ein paar Mal zu mir gesagt hatte, nämlich, wie glücklich die Menschen in diesem Haus seien, dass Leif mich zum Freund habe, seine Frau sei glücklich, Olivia und Janna seien glücklich, sogar das Personal sei glücklich, aber besonders glücklich sei er, der Vater. Er sei leider im Begriff zu verreisen. Herr Wohlwend chauffiere ihn nach Zürich-Kloten, von wo aus er nach London fliege und übermorgen weiter nach Stockholm, dort bleibe er eine Woche,

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