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Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Titel: Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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anschließend fliege er nach Helsinki, kämpferischen Verhandlungen entgegen, Finnland habe eine wirtschaftsstarke Zukunft vor sich, er wolle sich Fläche sichern, ich solle Finnland nicht aus den Augen verlieren und ihm die Daumen drücken, er werde mir berichten. Das teilte er mir im Eiltempo mit und in einem Tonfall, als wäre ich sein mit allen geschäftlichen Details gewaschener Sekretär, vertrauter als Herr Wohlwend. Er hatte die Brieftasche bereits in der Hand – »Was man gleich erledigen kann, soll man gleich erledigen!« –, da klingelte im Haus das Telefon. Er sagte: »Moment, schon rennt der Mohr im Hemd«, legte die Brieftasche auf das Fensterbord neben der Tür und lief hinein. Die Fächer waren aufgebläht und steckten voll Frankenscheinen. Ich zog zwei Zwanziger heraus und schob sie mir in die Hosentasche.
    Ich wollte eben auch für die Zukunft vorsorgen. Warum nicht mit dem Gegenwartsgeld anderer? Schließlich hatte ich die Zukunft bei den Lundins erst richtig schätzen gelernt. Herr Lundin hatte mir mit Worten, so breit und vertrauensselig wie sein Schädel, geschildert, wie es in Europa aussehen wird, wenn endlich die Handelsgrenzen gefallen und die verschiedenen Währungen abgeschafft und durch eine gemeinsame ersetzt sein würden: unbegrenzte Produktion, absolute Freiheit, uneingeschränktes Glück. Vater und Sohn standen nicht nur mit einem, sondern mit beiden Beinen in der Zukunft, und sie blickten zurück in die Gegenwart, wo sie mich in der kleineren ihrer beiden Garagen auf einer Werkzeugkiste sitzen und staunen sahen. Ihre Gesichter, die sonst so verschieden waren – Leifs Gesicht eng, blass und immer etwas missmutig, das seines Vaters vage begrenzt, gütig, heiter, feist –, ähnelten einander in solchen Momenten zum Verwechseln. Herrn Lundins Vision präsentierte ein Zusammenleben ohne Staat; gigantische private Versicherungsinstitute würden gegründet werden, sie würden die Aufgabengebiete von Polizei, Militär, Schulbehörde, Alterspflege etc. besetzen und neu gestalten. Abermillionen Franken, die heute, anstatt sie in sinnvolle Projekte zu investieren, als Bürokratenfutter verbraten würden, könnten nach Abschaffung der Staaten direkt in die Geldbörse des Bürgers wandern, der, weil er für einen Teil davon keine gegenwärtige Verwendung habe, Aktien kaufe und damit Zukunft schaffe. »Nenne mir einen vernünftigen Grund, warum zwischen die Bürger und das Geld ein Staat gestellt werden soll!« Geld brachte Segen. Geld heilte Wunden. Geld vollbrachte Wunder. Geld tat Gutes. Wenig Geld führte den einen oder anderen vielleicht in Versuchung, viel Geld jedoch führte zur Erlösung. Geld regte meine Einbildungskraft an, die bisher kaum zum Einsatz gekommen war, und wenn, dann um zu lügen. Geld hingegen war die pure Wahrheit. Geld hat die Zeit nicht erschaffen, aber es sorgte dafür, dass ihr die Luft nicht ausging. Im Geld war die Zukunft wesentlich enthalten. In jeder Münze, in jedem Schein. Was mir Herr Lundin auch schlüssig vorführte: »Was sagt Geld? Hier, nimm diesen Schein und halte ihn an dein Ohr! Was sagt er? Hörst du? Er sagt: Du wirst mich ausgeben. Du wirst für mich bekommen, was du dir wünschst. Du wirst, du wirst, du wirst! Behalte den Schein.« Die Zukunft wurde für mich zum Feld der Gewissenserforschung, wie es die Vergangenheit für den Katholiken war, der sich auf die Beichte vorbereitete. Und ich machte dabei eine Entdeckung: In meiner Zukunft war ich allein. Ich sah mich auf Reisen, sah mich im Freien übernachten oder in leeren Häusern irgendetwas tun, sah mich in leeren Gastgärten sitzen und durch leere Alleen an einem Fluss entlanggehen – nicht ein einziger Mensch begegnete mir, ich führte keine Telefonate, ich sah kein Licht in den Fenstern der Häuser, ich hörte keine Stimmen und sah keinen Schatten eines Mannes oder einer Frau. Vor einer Welt, die mich als einzigen Bewohner hatte, fürchtete ich mich nicht. In so einer Welt war ich schließlich zum Bewusstsein erwacht; und den Verdacht, dass die Anwesenheit von anderen eigentlich der Ausnahmezustand sei, habe ich nie loswerden können. Ich hatte nie das Gefühl, ich bin zusammen mit euch, sondern immer: ihr seid zusammen mit mir.
    Auch wenn meine Vorstellung von der Zukunft eine andere war, das Vertrauen in die Zukunfthaftigkeit des Geldes teilte ich mit Vater und Sohn Lundin. Ich hatte bis dahin keine Gelegenheit als ausreichend günstig erkannt, meine gehortete Barschaft – inzwischen

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