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Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Titel: Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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arbeiteten von morgens um sieben bis in den Abend; aber nie herrschte Verbissenheit; wenn uns danach war, warfen Sebastian und ich die Sachen von uns, steckten den Kopf unters Wasser und zwitscherten ab in die Stadt, und niemand war uns böse. Wenn wir nach drei Stunden zurückkamen, waren wir stark wie Ochsen und motiviert wie Fußballer aus der Nationalmannschaft. Oder wir liefen um die Wette hinüber zur Ill und legten uns ins Bachbett, das in diesem Sommer nur wenig Wasser führte.
    An den Abenden nach der Arbeit spielten wir vor der Scheune Tischtennis. Herr Lukasser hatte irgendwann mitten auf der Straße eine Schachtel mit einem halben Dutzend Tischtennisbällen gefunden – sagte er. In der Scheune schraubte er eine Spanplatte von der Wand, die legte er über zwei Böcke, darauf stellte er ein Brett, das sollte als Netz dienen. Schläger gab es keine, aber jede Menge Schneidbretter. Der Vermieter und seine Familie waren gewohnt gewesen, ihr Abendbrot nicht vom Teller, sondern von Schneidbrettern zu essen, und mit denen ging’s ganz flott. Wir spielten auf der geteerten Einfahrt zur Scheune. Sebastians Mutter richtete Käse, Wurst und Brot auf den Steinstufen zum Haus an, dazu Tomaten und Gurken und einen großen Krug Waldmeisterlimonade. Sie protokollierte jedes Spiel in einen Block, verwendete dazu verschiedene Buntstifte – sie war blau, ihr Mann rot, Sebastian grün und ich Kuli. Wir spielten Turnier, Sebastians Vater in Unterhose und Unterhemd. Am Anfang gewann immer er, dann holte Sebastian auf und überholte ihn schließlich. In den letzten Wochen vor Schulanfang blieb jedes Mal Frau Lukasser als Siegerin am Platz. Sie war irgendwann darauf gekommen, ihr Schneidbrett dünn mit UHU zu bestreichen, das machte die Oberfläche gummiartig, so dass sich die Bälle anschneiden ließen. Nun hatten wir keine Chance mehr gegen sie. Herr Lukasser war stolz auf seine Frau und verbot Sebastian und mir, unseren Schläger ebenfalls mit Klebstoff zu bestreichen, schließlich habe sie das Copyright auf diese Idee.
    Wenn wir nach unserem Tischtennismatch in der Dämmerung vor der Scheune saßen, holte Herr Lukasser seine honigblonde Gitarre aus dem Haus und wechselte in fingerflinker Geschwindigkeit Akkorde und Melodien wie Mutmaßungen und Gesichtspunkte, und manchmal spielten Vater und Sohn gemeinsam. Zum ersten Mal hörte ich von Django Reinhardt, der nur zwei Jahre älter als wir gewesen war, als er bei einem Brand zwei Finger seiner Griffhand eingebüßt habe und trotzdem der beste Gitarrist aller Zeiten geworden sei. Ich nahm mir vor, Musik zu lieben und vieles andere auch.
     
    Meine Eltern hatten Pläne für den Sommer. Das Ziel der ersten Urlaubsreise ihres Lebens sollte das Mittelmeer sein, Italien. Ich habe den Namen des Ferienortes vergessen, irgendwo an der Adria. Weder meine Mutter noch mein Vater hatten je das Meer gesehen, und sie wollten es unbedingt sehen, am liebsten gleich nach dem ersten Augenaufschlag des Tages, wenn sie im Bett die Arme aufstützten, und hatten deshalb ein Hotel ausgesucht mit »großen Fenstern hin zum ewig blauen Wasser«, wie ihnen im Reisebüro versichert worden war. Zehn Tage sollte der Urlaub dauern. Sie hatten bisher nicht unterschrieben, wollten nicht über meinen Kopf hinweg entscheiden, wollten erst meine Vorschläge abwarten – allerdings: Spanien sei zu weit, und der Norden komme nicht in Frage. Ich sagte, ich würde am liebsten hierbleiben und den Lukassers beim Renovieren ihres Hauses helfen, und log, ich hätte bereits mit Sebastians Eltern darüber gesprochen, sie würden sich freuen, wenn ich in dieser Zeit bei ihnen wohne. Ich rechnete damit, dass Mama und Papa auf Anhieb damit einverstanden sein würden, dass zumindest Mama in Wahrheit froh wäre, wenn ich nicht mitführe; die Tatsache, dass sie beim Reisebüro die Hotelbuchung für drei Personen noch nicht in Auftrag gegeben hatten, wertete ich als ein Indiz dafür. Mama weinte. Darauf war ich nicht gefasst. Sie spielte nicht Weinen. Sie sagte, nun gebe sie die Hoffnung auf, dass aus uns je eine richtige Familie werde. Und gleich verschätzte ich mich ein zweites Mal. Anstatt dass sie in Wut überwechselte, worauf ich gefasst war, und die Lukassers verfluchte, die ihr den Sohn wegnehmen, sagte sie, sie würde Sebastian und seine Eltern gern zum Abendessen einladen. Es war das erste Mal, dass meine Eltern jemanden zum Essen einluden. Ich geriet dadurch in Verlegenheit; meine Mutter würde sich bei Herrn und

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