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Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Titel: Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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frühstückten im Zug. Sebastians Mutter hatte uns Äpfel und Käsebrote in einen Rucksack gepackt und eine Thermosflasche mit Milchkaffee, aus deren Schraubdeckel wir abwechselnd tranken. Die Nussschokolade überließ ich Sebastian. Er hatte seinem Vater und seiner Mutter je zwei Zigaretten geklaut; wir rauchten zum Fenster hinaus – erst die seines Vaters, Favorite – und führten das Gespräch weiter, über dem wir eingeschlafen waren. Ich erzählte, dass die Ägypter schon vor fünftausend Jahren auf Tafeln und Papyrus geschrieben hatten und dass für den Verfasser des Steins von Rosette die ersten schriftlichen Zeugnisse seiner eigenen Kultur weiter zurücklagen als für uns sein Stein und dass der berühmte Pharao Tutanchamun auf die Cheopspyramide blickte wie wir auf den Propheten Mohammed und seinen Koran. Sebastian hatte in einem Buch gelesen, dass Jericho die älteste Stadt der Welt sei, ihre Mauern seien 8000 Jahre vor Christi Geburt errichtet worden. Ich steuerte die Felsenmalereien von Altamira bei, die vor 40.000 Jahren entstanden waren, und Sebastian ergänzte, dass der Mensch vor eineinhalb Millionen Jahren gelernt habe, das Feuer zu beherrschen. Als der Zug nach einer Stunde in Sargans hielt, dachten wir bereits über das Universum nach, das zehn Milliarden Jahre alt war und in alle Richtungen auseinanderflog oder nicht auseinanderflog, das wussten wir nicht genau, denn es gab auch andere Vermutungen. Ich schrieb die Zahl 12.000.000.000 in mein Heft (das hatte ich mitgenommen, falls der Gorilla wieder mit mir reden wollte). Sebastians Pate war Universitätsprofessor für Mathematik, von ihm hatte er eine Menge Informationen über das Weltall und über Zahlen erhalten. Zum Beispiel: Eine der größten Zahlen sei eine Eins mit hundert Nullen. Ein amerikanischer Mathematiker habe seinen neunjährigen Neffen gefragt, wie er diese Zahl nennen solle, und der habe »Googol« geantwortet. Seither heißt die Zahl Googol. Sebastian gab zu bedenken, dass man den Ausdruck »eine der größten Zahlen« eigentlich nicht verwenden solle (ich strich die Formulierung sofort aus), denn man könne Googol mit Googol multiplizieren, und das ergebe eine viel größere Zahl. Tatsächlich gebe es eine Zahl, die heiße Googolplex, das sei zehn hoch Googol, und dieser Ausdruck stelle eine so große Zahl dar, dass das gesamte Universum, und wäre es bis an den Rand mit Ziffern vollgepackt, jede nicht größer als ein Atom, nicht Platz genug böte, um sie auszuschreiben. Aber auch diese Zahl könne man, wie man Lust dazu habe, mit sich selbst multiplizieren und das Ergebnis als Potenz darübersetzen und das neue Ergebnis wieder nach oben nehmen, jahrelang – Googolplex hoch Googolplex hoch Googolplex und so weiter –, und dann dürfe man getrost behaupten, man stehe erst am Anfang. Und noch etwas hatte ihm sein Pate vorgerechnet, in einer sternklaren Nacht, als sie auf einem Berg in der Wiese gelegen und den Himmel betrachtet hatten: Wenn man die Sonne in einem Maßstab von 1: 10 Milliarden verkleinert, so dass sie einen Durchmesser von 14 cm hat, also wie eine große Orange, dann befindet sich die Erde zu ihr in einem Abstand von 15 cm und hat den Durchmesser eines Stecknadelkopfes. Der Jupiter ist so klein wie ein Kirschkern und kreist in einem Abstand von 80 Metern, Pluto misst nur einen halben Millimeter und ist 600 Meter weit entfernt. Proxima Centauri, der unserer Sonne nächstgelegene Stern, nämlich in Wirklichkeit 40 Billionen (40.000.000.000.000) Kilometer, wäre 4000 Kilometer von der Orange entfernt, von unserem Zugabteil aus gerechnet, irgendwo in Zentralafrika. Die Milchstraße hätte in diesem Modell auf der Erde keinen Platz. Ich wusste, dass die Milchstraße einen Durchmesser von 100.000 Lichtjahren hatte, das war im Physikunterricht erwähnt worden, und ich hatte es mir aufgeschrieben. Sebastian rechnete vor, dies sei, in Kilometer umgerechnet und ein bisschen aufgerundet, ein Einser mit achtzehn Nullen. Er konnte nicht auswendig sagen, wie diese Zahl hieß, glaubte aber, es sei eine Trillion, auf jeden Fall sei es praktischer, in Lichtjahren zu rechnen als in Kilometern. Und dann das Unglaublichste: Alles, was es gibt – dieser Eisenbahnwaggon, die Häuser dort draußen, die Planeten, die Sonne, die hundert Milliarden Milchstraßen, jede angefüllt mit hundert Milliarden Sternen und einem schwarzen Loch in der Mitte, das wiederum eine Masse von Millionen bis Milliarden Sternen hat – dies alles war beim

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