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Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Titel: Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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Mittagessen erfuhren wir, dass der Italiano in der Wäscherei einen Wutanfall bekommen und einem Mithäftling den Arm bis zur Schulter hinauf verbrüht hatte. Er bekam dafür vierzehn Tage Bunker, die Hälfte davon bei Wasser und Brot. Der Zellenvater brummte, daran sei nur das Pervitin schuld; aber als ich fragte, was das genau sei und was er meine, gab er mir keine Antwort.
    Nach dem Essen fragte mich der Adlatus, ob ich die 500er Benelli ausprobieren wolle. Er habe endlich die Erlaubnis bekommen, mit mir den Hof in Länge und Breite abzufahren. Tatsächlich war ich ihm tagelang damit auf den Nerven gelegen; ich hatte nie ein Motorrad gefahren, und ich hatte mich in den Anblick dieser Maschine verliebt, dass ich bald meinte, mir nichts Schöneres in der Welt vorstellen zu können, als auf diesem italienischen Wunderding zu sitzen und Gas zu geben. Gestern noch hätte ich mir nichts mehr auf dieser gottverdammten Scheißwelt gewünscht.
    Jetzt sagte ich: »Nein.«
    Er fragte, warum nein. Ich sagte, sagte es aber leise, damit es der Zellenvater und die anderen Gehülfen nicht hörten, ob er denn noch alle Tassen in seinem Oberstübchen habe, mich zu fragen, nach dem, was in der Nacht passiert sei, ich wolle nichts mehr mit ihm zu tun haben, absolut nichts, er sei mir zuwider wie ein Haufen Hundescheiße, ich sei nie in meinem Leben einem Menschen begegnet, den ich so zum Kotzen gefunden hätte wie ihn.
    Er lachte und sagte, das finde er wahnsinnig gelungen, was ich sagte, packte mich an der Hand und zog mich in den Hof hinaus. Ich drehte mich nach dem Zellenvater um, aber der zeigte mir nur seinen Rücken, und ich traute mich nicht, nach ihm zu rufen, denn der Adlatus hatte wieder die gelben Augen mit dem winzigen schwarzen Punkt in der Mitte und war wieder grün um den Mund und an der Stirn, und ich fürchtete, er werde mir die Finger knicken, wenn ich jetzt auch nur ein Wort noch von mir gäbe.
    Er zeigte mir, wie man startete, wie man kuppelte, wie man die Gänge einlegte, was man beim Bremsen beachten musste. Aber er war nicht bei der Sache, sagte dreimal hintereinander das Gleiche, ich wollte nicht wissen, bei welcher Sache er war. Immer noch hielt er mein Gelenk umklammert.
    Erst drehten wir eine Runde, und ich saß hinter ihm. Er sagte, ich solle jetzt an die Lenkstange und er setze sich nach hinten, deswegen habe er die ganze Scheiße schließlich organisiert.
    Ich fuhr langsam, es ging eh, war nicht viel anders als Fahrrad fahren, nur dass die Lenkstange breiter war, und es wäre nicht nötig gewesen, dass der Adlatus seine Arme um meine Brust legte. Aber er tat es. Und griff mir mit der linken Hand in die Hose hinein und presste mein Geschlecht so fest zusammen, dass ich laut aufgeschrien habe. Mit der anderen Hand umklammerte er meine rechte Hand und gab Gas, und der Motor heulte auf und die Maschine machte einen Satz nach vorne, und wir rasten über den Hof und weiter die Gütereinfahrt hinunter, wo wir uns eigentlich nicht aufhalten durften. Ich konnte mich nicht gegen ihn wehren, er presste meine Hoden zusammen, und das ist ein Schmerz, der einem jede Hoffnung nimmt. Ich blickte hinter mich, sah das verschwitzte, merkwürdig verzogene Gesicht des Adlatus mit den flachen gelben Augen und den kleinen schwarzen Nieten darin. Und sah weit weg von uns den Zellenvater im Tor zur Werkstatt stehen. Ich rief nach ihm. »Meister!«, rief ich, »Meister! Vater! Vater! Hilfe!« Aber er drehte sich um, ging hinein in die Werkstatt und verschwand in der Dunkelheit. Wir rasten die fünfzig Meter über die geteerte Einfahrt entlang und weiter geradeaus über den gekiesten Streifen vor den Zäunen und der Mauer. Knapp vor dem Dreimeterzaun ließ mich der Adlatus los, griff an die Lenkstange und zog die Bremse. Das Motorrad schlitterte, ich sprang ab, rollte über den Kies, schürfte mir die Hände auf. Den Adlatus schleifte es samt der Maschine über das Gras, einen halben Meter vor dem Zaun blieb er liegen. Die Maschine überschlug sich. Es war ihm nichts passiert und der Benelli auch nicht. Die Lenkstange hatte sich in die Erde gebohrt, sonst war nichts. Er stand auf und lachte mich aus.
    Ich sagte, er sei ein Arschloch und ich würde ihn beim Zellenvater hinbrennen. Er sagte, er werde mich heute Nacht ficken. Ich sagte: »Wenn du mich noch einmal anrührst, bringe ich dich um.« Ich stampfte den Weg zurück zur Werkstatt. Der Italiano, dachte ich, hat den Mann in der Wäscherei nur deshalb verbrüht, damit er in den

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