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Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Titel: Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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zeigte der Dogmatiker seine Überlegenheit, weil er sich, wenn es tatsächlich so war, jedenfalls nicht anmerken ließ, dass er etwas gegen den Moraltheologen hatte, er war immer sachlich und höflich gewesen – beides allerdings auf eine schwer nachweisbare herablassende Art.
    Bei meinem Geburtstag wollte ich Ernst Koch eine Möglichkeit verschaffen, sein rhetorisches Talent auszubreiten, und fragte ihn deshalb coram publico, ob er wisse , dass es den Gott gebe.
    Er wurde rot im Gesicht und antwortete leise: »Nein, ich weiß es nicht, Joel. Ich glaube . Ich glaube es mit meiner ganzen Kraft. Und ich bete jeden Tag um diese Kraft. Aber wissen , nein, wissen tu ich es nicht …«
    Während meiner Frage hatte der Dogmatiker die Küche betreten. In der Hand hielt er einen Blumentopf mit einer Bonsai-Eiche, darum herum gelbes Krepppapier.
    »Mein verehrter Spazierer«, rief er mir entgegen, »da bin ich ja im rechten Moment gekommen. Alles Gute zum Geburtstag! Sie erwähnten einmal, dass Sie die Pflanzen, insbesondere die Bäume, lieben, was, zugegeben, das Misstrauen des Theologen weckt, argwöhnt er hinter solcher Passion doch den Pantheisten.« Und mit einem Blick – nicht auf Ernst Koch, sondern auf das Medaillon mit dem heiligen Antonius von Padua: »Nun, mein Bäumchen können Sie sich zwar nicht um den Hals hängen, und Gebete erhört es auch nicht. Aber egal, wohin Sie das Leben führt, mein Lieber, zwei Handbreit Platz werden Sie wohl immer besitzen. Das Bäumchen ist ein Wunder, es braucht nur ein paar Tropfen Wasser täglich und, wie mir versichert wurde, ein bissel Liebe. Auch die lässt sich wohl überall auftreiben. Und nun gleich in medias res: Die Existenz Gottes ist natürlich längst bewiesen; und das nicht mit Hilfe von ekstatischen Visionen und Offenbarungen, die unbestreitbar wunderbar und für den, dem sie geschenkt werden, das größte nur denkbare Glück darstellen; auch nicht mit Hilfe von Schönheit und Pracht der Natur und des Universums, wie uns die Pantheisten« – dabei drohte er mir spaßig mit dem Zeigefinger – »schmackhaft machen wollen; auch nicht als Folge der ansonsten vernünftigen Abschätzung, es sei eher möglich, dass ein Wirbelsturm, der über einen Schrottplatz tobt, die herumliegenden Trümmer zu einem Traktor samt Bauer zusammensetze, als dass ein so komplexes Gebilde wie das Universum zufällig entstanden sei – nein, ich sage: Die Existenz Gottes wurde logisch bewiesen, a priori , und meine damit schlicht und einfach: Gott ist , wie eins und eins zwei ist .«
    Er war in allem Ernst Koch konträr: Er war klein, dick, feistgesichtig, obwohl mit eingesunkenen Schläfen, hatte mit seinen neunundzwanzig Jahren bereits eine Glatze, fürchtete sich vor nichts, zweifelte weder an sich selbst noch an seiner Kirche und war nicht weniger eloquent als der Moraltheologe, wenn dieser allein in seinem Zimmer oder vor mir in meinem Zimmer auf und ab ging, nur dass sein Redetalent durch ein größeres Publikum nicht gehemmt, sondern sogar stimuliert wurde. Wahrhaftig, er quietschte vor Originalität! Mir fiel ein, was Ernst Koch einmal zu mir gesagt hatte: Der Dogmatiker sei nicht der Teufel, aber er habe ihn in sich und wahrscheinlich nicht nur einen von der Sorte, sondern eine Schar davon, sein Wissen auf den verschiedensten Gebieten, nicht nur der Theologie, sei so umfassend, dass als Erklärung nur hinreiche, Satan habe ihm als Gegengeschäft ein Heer von Zuträgern zur Verfügung gestellt. Aber doch nicht etwa ein paar Tausend wie bei Markus 5,1–20, fragte ich. Da war der Moraltheologe Ernst Koch sehr erschrocken. Er habe bitte nur einen Witz gemacht, stammelte er.
    Ob ich, fragte mich der Dogmatiker mit einer Verbeugung, die seine Hosenbeine lüpfte und schwarz-grüne Kniestrümpfe sehen ließ, ob ich, gleichsam als zusätzliche Schleife um sein Geburtstagsgeschenk, den Gottesbeweis des heiligen Anselm von Canterbury hören wolle. Er wisse natürlich, dass der heilige Thomas von Aquino seine Bedenken gehabt habe, aber ein Bedenken sei keine Widerlegung, und die sogenannte Widerlegung des Immanuel Kant dürfe dem Theologen nicht mehr gelten als ein Rattendreck, denn dessen Kritik der reinen Vernunft , worin er sich an Anselms Beweis vergreife, stehe bekanntlich bis heute auf dem Index Librorum Prohibitorum .
    Es waren nicht genügend Sessel vorhanden. Um genau zu sein, zwei fehlten. Der Dogmatiker, der es vorzog, beim Referieren zu stehen und seinen Oberkörper vor- und

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