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Die Abenteuer Des Jonathan Gullible

Die Abenteuer Des Jonathan Gullible

Titel: Die Abenteuer Des Jonathan Gullible Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Schoolland
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stumm«,
erklärte der alte Mann. »Sonst könnten sie sich die Freude zur
Weißen Nacht verderben, wenn Väterchen Staat zurückkommt, um
Spielsachen und Geschenke zu verteilen.«
    Jonathan war erleichtert: »Also gibt Väterchen Staat alles
wieder zurück?«
    »Kaum! Aber es gefällt den Leuten, daran zu glauben. Ich
versuche, wach zu bleiben, um mitzubekommen, wieviel er nimmt und
wieviel er zurückgibt. So eine Art Hobby von mir, könnte man sagen.
Ich schätze, Väterchen Staat behält das meiste für sich selbst und
seine Kobolde oder für einige bevorzugte Familien hier in der
Stadt.
    Aber«, sagte der Mann und ballte vor Wut die Fäuste, »Väterchen
Staat paßt darauf auf, jedem ein bißchen zurückzugeben, um sie bei
Laune zu halten. Deshalb schlafen dann alle wieder im nächsten
April, wenn er wiederkommt, um das zu nehmen, was er will.«
    »Ich verstehe das nicht«, sagte Jonathan, »warum bleiben die
Leute nicht einfach wach, zeigen den Dieb an und behalten ihre
Sachen? Dann könnten sie alle Geschenke selbst kaufen und an jeden
verschenken, wie sie wollen.«
    Der alte Mann lachte und schüttelte seinen Kopf über Jonathans
Unverständnis. »Väterchen Staat ist doch jedermanns Kindertraum.
Die Eltern haben ihren Kindern immer erzählt, daß Spielzeuge und
Geschenke wie durch ein Wunder aus dem Himmel kommen und niemanden
etwas kosten.«
    Er betrachtete das abgespannte Aussehen des Jungen und sagte:
»Es sieht aus, als hättest du einen harten Tag gehabt. Komm herein
und wärm dich auf, Kleiner. Brauchst du einen Platz für die
Nacht?«
    Jonathan nahm das Angebot des alten Mannes gern an. Der Alte
machte ihn mit seiner Frau bekannt und sie lief schnell, um
Jonathan eine Tasse heißer Schokolade und einen Teller warmer Kekse
zu bringen.
    Nachdem der letzte Krümel verschwunden war, streckte sich
Jonathan auf dem Sofa aus, das das ältere Paar mit einigen Decken
und einem Kopfkissen für ihn zurechtgemacht hatte. Der alte Mann
steckte sich eine lange Pfeife an und lehnte sich in die Polster
seines Schaukelstuhls zurück.
    Jonathan begann, sich behaglich zu fühlen und fragte: »Wie
begann denn diese Tradition?«
    »Wir hatten einmal einen Feiertag, der ›Weihnacht‹ genannt
wurde, das war eine wunderschöne Zeit im Jahr. Es war ein
religiöses Fest mit Geschenken und viel Fröhlichkeit. Ja, es gefiel
uns so gut, daß der Hohe Rat beschloß, daß es zu wichtig war, als
daß man es in einer ungezügelten Spontaneität und chaotischen
Feiern verbringen konnte. Sie übernahmen es, damit es ›korrekt‹
vonstatten ging.«
    Der Ton seiner Stimme verbarg seine Ablehnung kaum. »Zuerst
mußten die unangebrachten religiösen Symbole verschwinden. Die
Herren änderten den Namen des Feiertags offiziell in ›Weiße Nacht‹.
Und der beliebte sagenhafte Mann, der die Geschenke brachte, wurde
von ›Väterchen Frost‹ in ›Väterchen Staat‹ umbenannt. Das Kostüm
zog der Steuersammler an.«
    Der alte Mann machte eine Pause, um ein paar tiefe Züge zu
nehmen und den Tabak festzuklopfen. Er fuhr fort:
»Weißnachts-Steuerformulare müssen jetzt in dreifacher Ausfertigung
im Büro des Guten Willens eingereicht werden. Das Büro des Guten
Willens bestimmt mittels einer Formel die Großzügigkeit, die von
jedem Steuerzahler von den Herren erwartet wird. Du hast gerade die
jährliche Aprilsammlung miterlebt.
    Bald kommt das Büro für Gut und Böse. Mit der Unterstützung
eines Moralberaters müssen Formulare ausgefüllt werden, um
detailliert über das gute und schlechte Verhalten jedes einzelnen
im vergangenen Jahr Auskunft zu geben. Das Büro für Gut und Böse
beschäftigt eine ganze Armee von Angestellten und Prüfern, die
untersuchen, ob die Antragsteller würdig sind, im Dezember die
Geschenke zu erhalten.
    Schließlich vereinheitlicht die Kommission für den richtigen
Geschmack die Größen, Farben und die Art der zulässigen Geschenke
und schließt ohne Ausschreibung Verträge mit vorher ausgesuchten
Herstellern ab, die die richtige Parteimitgliedschaft haben. Ganz
ohne Diskriminierung bekommt jeder exakt den gleichen, von der
Regierung herausgegebenen Festtagsschmuck, um sein Haus zu
verzieren. Am Abend der Weißen Nacht singt der Militärchor die
geeigneten Feiertagslieder.«
    Doch jetzt war der junge Abenteurer schon fest eingeschlafen.
Der alte Mann zog die Decke über seine Schultern. Er und seine Frau
flüsterten in Jonathans Ohr: »Fröhliche Weißnacht!«

Kapitel 16 Igel und Hase - neu

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