Die Abenteuer des Röde Orm
vorzutreten. Aber die Angerufenen grinsten verlegen und meinten, von dieser Art des Verdienstes würden sie sich lieber fernhalten.
Gudmund und Orm teilten sich in der Weise in die Männer Gottes, daß der älteste Bischof bei Gudmund an Bord ging und der Bischof von London bei Orm, und bei ihm war auch Bruder Willibald.
Die Bischöfe segneten die Schiffe und beteten um eine glückliche Reise; sie ließen ihr Banner setzen, und dann liefen die Schiffe aus und bekamen günstigen Wind und schönes Wetter, so daß die Männer anfingen, die Bischöfe mit größerer Achtung zu betrachten; und mit dem Flutwasser fuhren sie in die Themse ein. Hier, innerhalb der Mündung, übernachteten sie, und am nächsten Morgen, während die Sonne klar aufging, fingen sie an, stromauf zu rudern. Bei Hütten, im Ufergesträuch, standen mißtrauisch spähende Leute, und die Fischer auf dem Fluß hatten es eilig, außer Sehweite zu gelangen, bis das bischöfliche Banner ihnen wieder mehr Zuversicht gab. An einigen Stellen sah man niedergebrannte Dörfer, die verödet waren, seit Nordmänner sie aufgesucht hatten, und weiter stromauf kamen sie an eine Stelle, wo der Fluß durch vielfaches Pfahlwerk gesperrt war und nur in der Mitte eine schmale Rinne hatte. Da lagen drei große Wachtschiffe voll Bewaffneter und hielten sich kampfbereit mitten in der Rinne.
»Seid ihr blind oder fehlt es euch an Verstand?« rief Gudmund ihnen zu. »Seht ihr denn nicht, daß wir mit dem Friedensschild kommen und heilige Bischöfe an Bord haben?«
»Uns werdet ihr nicht an der Nase herumführen«, war die Antwort. »Räuber werden hier nicht vorbeigelassen.«
»Wir haben den Bischof eures eigenen Königs an Bord«, rief Gudmund.
»Wir kennen euch«, hieß es, »bei euch ist alles List und Teufelswerk.«
»Wir kommen, um getauft zu werden«, brüllte Orm ungeduldig. Darüber wurde auf den Wachtschiffen gelacht und eine Stimme rief: »Seid ihr des Teufels, eures Herrn und Vaters, schon überdrüssig geworden?«
»Ja«, rief Orm zornig, und über diese Antwort lachten sie noch mehr.
Nun schien es zum Kampf kommen zu wollen, denn Orm nahm das Lachen übel auf, und er befahl Rapp, auf sie loszusteuern und am nächsten Schiff, wo man am meisten gelacht hatte, anzulegen. Aber die Bischöfe hatten in großer Eile ihren Ornat angetan, und mit erhobenen Stäben riefen sie allen zu, Ruhe zu halten. Orm gehorchte nur unwillig, und auch Gudmund fand, daß reichlich viel geschehen war, was nicht still hingenommen werden konnte. Die Bischöfe kamen nun mit ihren Landsleuten ins Gespräch und redeten gebieterisch auf sie ein, und jene begriffen bald, daß die heiligen Männer wirklich das waren, wonach sie aussahen und nicht Gefangene oder verkleidete Räuber. Die Schiffe wurden vorbeigelassen, und nichts geschah als ein scharfes Wortgeplänkel zwischen den Mannschaften, während sie aneinander vorbeiruderten.
Orm stand mit einem Speer in der Hand und sah zu den Wachtschiffen hinüber; er war noch bleich vor Zorn.
»Denen hätte ich gern etwas Anstand beigebracht«, sagte er zu Bruder Willibald, der neben ihm stand und keine große Unruhe gezeigt hatte, als es zum Kampf zu kommen schien. Er antwortete: >Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.< So steht es im Heiligen Buch geschrieben, in dem alles wahrhafte Wissen enthalten ist. Wie könntest du je zu König Haralds Tochter gelangen, wenn du jetzt mit König Ethelreds Schiffen in Kampf geraten wärst? Aber du bist ein gewalttätiger Mensch und wirst es bleiben, und das ist für dich selbst am allerschlimmsten.«
Orm seufzte und stellte den Speer weg. »Wenn ich sie bekommen habe, werde ich ein friedlicher Mann werden«, sagte er.
Aber der kleine Priester schüttelte den Kopf. »Kann der Luchs seine Flecke verändern?« fragte er. »Oder der Neger seine Haut? So steht es auch geschrieben. Aber danke du Gott und den heiligen Bischöfen, die dir diesmal geholfen haben.«
Nun machte der Fluß eine Biegung, und sie sahen London am rechten Ufer vor sich liegen. Das war ein Augenblick, der die Schiffsmannschaft staunen machte, denn die Stadt war so groß, daß man ihr Ende vom Schiff aus nicht absehen konnte, und die Priester sagten, daß nach Ansieht wohlunterrichteter Leute mehr als dreißigtausend Menschen dort wohnten. Vielen der Mannen schien es unbegreiflich, wovon alle diese Menschen in solchem Gedränge und ohne alle Äcker und Kühe lebten. Aber die Klugen wußten zu erzählen, daß die
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