Die Abenteuer des Röde Orm
schöner doch ist Glanz,
aufflammend hinter Tränen
in Mädchenaugen.
Und das ist seit langer Zeit der erste Vers, der mir in den Sinn gekommen ist«, fügte er hinzu.
»Wenn ich derlei zusammensetzen könnte«, sagte Ylva, »würde auch ich gern einen Vers über diesen Augenblick machen. Aber ich kann es nicht, das weiß ich nun, seit ich einmal drei Tage bei Gebet und Fasten sitzen mußte und die ganze Zeit versuchte, Schmählieder auf die Äbtissin zu dichten, ohne doch damit zurande zu kommen. Und doch hat mein Vater bisweilen, wenn er guter Laune war, versucht, es mich zu lehren. Er konnte selber keine Verse machen, aber er wußte, wie man es angreifen muß. Damals aber war es das Ärgerlichste von allem, daß ich kein Schmählied dichten konnte. Aber es ist ja einerlei, denn nun werde ich nie mehr von alten Weibern bewacht werden.«
»Nein, das hast du nun nicht mehr nötig«, sagte Orm.
Er wollte noch vieles genauer wissen, und der Bischof und Ylva hatten viel zu erzählen von dem, was während ihrer letzten Zeit in Dänemark und auf ihrer Flucht vor König Sven geschehen war.
»Und als Sven schon in der Nähe war und ich nicht wußte, ob ich ihm entgehen würde, habe ich mein Halsband versteckt. Denn alles wollte ich lieber, als daß es in seine Hand fiel, und nachher, als wir auf das Schiff mußten, war keine Zeit mehr, es zu holen. Das macht dich vielleicht traurig, Orm, aber ich wußte nicht, wie ich es sonst damit hätte halten sollen.«
»Es ist besser, dich ohne Halsband zu haben, als das Halsband ohne dich«, antwortete er, »aber es ist ja doch ein königlicher Schmuck, und ich glaube, daß du den Verlust schwerer spürst als ich. Wo hast du es versteckt?«
»Das kann ich gut sagen, denn hier ist niemand, der es ausplaudern wird. Ein Stück vom großen Tor entfernt ist rechts vom Wege bei der Brücke ein mit Wacholder und Heidekraut bewachsener Abhang; und dort liegen drei Steine im Gesträuch. Zwei sind groß und liegen tief in der Erde, so daß von ihnen nicht viel zu sehen ist, und der dritte ist an sie gelehnt und ist nicht so groß, daß ich ihn nicht von seinem Platz rücken konnte. Ich hatte das Halsband in ein Tuch gewickelt und das Tuch in ein Stück Leder, und so legte ich es unter den Stein. Es war schwer, es dort zurückzulassen, denn es war das einzige, was ich von dir hatte. Aber ich glaube, daß es dort in Sicherheit ist, und sicherer war es dort gewiß, als wenn ich es ins fremde Land mitgenommen hätte; denn zu jenem Abhang geht niemand, nicht einmal das Vieh.«
»Ich kenne den Stein«, sagte Bruder Willibald. »Ich bin dort gewesen, als ich Katzenpfoten und Thymian pflückte, die ich gegen Halsbrennen zu sammeln pflege.«
»Gut, daß du es außerhalb des Walles versteckt hast«, sagte Orm, »obschon es schwierig genug werden kann, es so nahe der Stelle zu holen, wo der Wolf seine Höhle hat.«
Nachdem Ylva ihr Herz, was das Halsband betraf, erleichtert hatte, wurde sie noch glücklicher; plötzlich fiel sie dem Bischof um den Hals, und während sie ihm Mandeln in den Mund stopfte, fing sie zu betteln an, er möge sie jetzt gleich segnen und trauen. Der Bischof bekam vor Schreck die Mandeln in die falsche Kehle und wehrte mit beiden Händen ab.
»Ich denke wie du«, sagte Orm. »Gott selber hat uns geholfen, uns wiederzusehen, und nun wollen wir uns nicht mehr trennen.«
»Ihr wißt nicht, was ihr redet«, sagte der Bischof. »Das ist eine Eingebung des Teufels.«
»Zu der Alten geh ich nicht mehr zurück«, sagte Ylva, »und hier kann ich nicht bleiben. Ich gehe mit Orm. Und da ist es besser, du sprichst zuerst ein Gebet über uns.«
»Er ist ja noch ungetauft«, sagte der Bischof verzweifelt. »Kann ich dich, mein eigenes Taufkind, mit einem Heiden trauen? Und es ist wirklich schamlos, daß ein junges Mädchen sich so entflammt zeigen kann! Hast du nie auch nur ein wenig Schamhaftigkeit gelernt?«
»Nein«, antwortete Ylva bestimmt. »Mein Vater konnte mich vieles lehren, aber von Schamhaftigkeit wußte er nicht viel. Kann denn etwas Böses daran sein, daß ich gern verheiratet sein will?«
Orm nahm sechs Goldmünzen aus dem Gürtel, die er aus Andalusien mitgebracht hatte, und legte sie vor dem Bischof auf den Tisch.
»Dem einen Bischof zahle ich dafür, daß er mich tauft«, sagte er, »und ich stehe mich gut genug, um einem anderen Bischof dafür zu zahlen, daß er mich verheiratet. Und wenn du bei Gott gut für mich redest und für das Geld Kerzen für seine
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