Die Abenteuer des Röde Orm
geworden«, sagte Vater Willibald. »Es kann aber auch sein, daß der Geist Gottes ihn treibt. Er hält ja ein Kreuz in der Hand.«
»Er wird leicht dorthin getrieben, wo Frauen sind«, sagte Orm finster, »aber für uns wäre es schimpflich, wenn er vor unseren Augen wie ein Bock geschlachtet würde.«
Sie nahmen einige Männer mit und gingen, dem Bach folgend, weiter vor. Nun war der Mond wieder von Wolken verdeckt, und es ließ sich nicht viel unterscheiden, als Orm die am Stein Stehenden anrief. Die Frauen waren schon auf dem Rückweg, und der Magister stand nicht mehr auf dem Stein. Aber der Mann mit dem großen Hut ging Orm mit einigen der Wächter entgegen.
»Wer schreit hier so?« fragte er.
»Gib mir meinen davongelaufenen Priester wieder«, sagte Orm streng.
»Wer bist du denn, Schreihals?« rief der andere.
Das war eine Anrede, die Orm nicht gewohnt war, und er wurde so zornig, wie es selten vorkam.
»Einer, der dir Anstand beibringen wird«, rief er zurück, »und das sofort.«
»Komm herüber«, sagte der andere, »dann werden wir sehen, wer dabei am meisten zu lernen hat.«
»Hab ich Frieden von deiner Gefolgschaft?« fragte Orm.
»Von uns hast du Frieden«, antworteten die Virden ruhig.
Orm zog sein Schwert und sprang über den Bach.
»Hierher kommst du leicht«, sagte der andere, »aber zurück wird man dich tragen müssen.«
Orm lief vor, und die Schwerter der beiden schlugen gegeneinander, so daß es Funken gab. Da sagte der andere:
»Hartgeschmiedeter
Roter Schnabel!
Scharf schlugst du,
Wenn Funken fliegen.«
Orm fing einen schnellen Schlag mit seinem Schilde auf, und seine Stimme klang anders, als er antwortete:
»Freund, dein Wort
Sprachst du beizeiten.
Denn Rotschnabel traf
Auf Blauzunge heut.«
Beide senkten die Schwerter und standen still. »Willkommen, Orm Tostesson, Seefahrerhäuptling! Was treibst du bei den Göingern?«
»Willkommen, Toke Grägullesson, Kämpe von Lister! Was treibst du bei den Virden?«
Sie redeten gleichzeitig und lachten; denn zwischen ihnen bestand große Freundschaft, und es war lange her, daß sie einander gesehen hatten.
»Nun gibt es viel zu erzählen«, sagte Toke. »Und gut ist’s, daß du im Versemachen flink bist, wie ich es dich gelehrt habe; denn sonst hätten wir uns vielleicht zu unserem eigenen Kummer allzu lange geschlagen. Doch es mag sein, daß deine Verse nicht ganz so gut waren wie meine.«
»In dieser Sache darfst du dich gern für den besseren halten, ich verarge es dir nicht«, sagte Orm. »Seit wir uns trennten, habe ich im Dichten wenig Übung gehabt.«
Toke strich mit dem Finger über Rotschnabels Schneide hin. »Es hat eine Scharte gegeben, wo sie aufeinander trafen«, sagte er. »Das ist die erste, die sie bekommen hat.«
Auch Orm strich über sein Schwert. »Hier steht es ebenso«, sagte er. »Was andalusische Waffenschmiede geschaffen haben, kann nur von andalusischen Schneiden gezeichnet werden.«
»Und ich hoffe«, sagte Toke, »diese beiden werden sich nie mehr miteinander kreuzen.«
»Wir beide hoffen dasselbe«, sagte Orm.
»Es wäre gut, zu wissen, ob die Frau, die sie uns geschenkt hat, noch am Leben ist«, sagte Toke, »und wie es um Almanzur, unseren Herrn, steht und wo man jetzt die große Kriegsfahne vor ihm herträgt und ob sein Glück noch Bestand hat.«
»Wer kann es wissen«, sagte Orm. »Das alles liegt so weit zurück und ist so lange her, und doch denke ich oft an ihn. Aber komm du jetzt mit mir, damit wir ruhig miteinander reden können. Recht schlimm ist aber, daß ich zu deinem Empfang kein Bier habe.«
»Wie, du bist ohne Bier?« sagte Toke bestürzt. »Wie sollen wir ohne Bier miteinander reden? Bier ist aller Freundschaft bester Freund.«
»Wer hat denn Bier auf dem Thing?« sagte Orm. »Bier reizt zum Streit, und ich glaube, das weißt du ebensogut wie andere.«
»Heute abend haben wir beide Glück«, sagte Toke, »vor allem aber du. Denn ich bin ein Mann, der mit Bier zum Thing kommt. Du mußt wissen, daß ich unter den Händlern in Värend einer der größten bin. Meine Ware ist meist Pelzwerk, und ohne Bier kann kein Pelzhandel abgeschlossen werden. Ich habe mit fünf Packpferden Bier zum Thing gebracht, und wenn alles gut geht, soll nichts davon zurückkommen, stattdessen aber Felle. Darum mußt du jetzt mit mir kommen.«
»Es sei, wie du willst«, sagte Orm, »und vielleicht erwische ich dabei auch meinen entlaufenen Priester.«
»Den haben die Frauen mitgenommen«, sagte
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