Die Abenteuer des Röde Orm
sagte, darüber sei er nicht im Zweifel: das Geschehene müsse Frauenraub genannt werden.
»Daß die Mädchen den Männern freiwillig gefolgt sind, ist kein haltbarer Einwand«, sagte er. »Denn das taten sie tags darauf, nachdem sie nachts bei den Männern gelegen hatten; und daß sie es getan haben, weiß man, da die Männer um sie gelost haben. Und jeder Kluge weiß: eine junge Frau folgt immer gutwillig dem Mann, dessen Lager sie geteilt hat, besonders, wenn er der erste gewesen ist.«
Sone führte alles nur Mögliche an, aber zuletzt sagte er: »Der Richter muß sagen, was wahr ist, auch wenn es den Seinen nicht Vorteil bringt. Es läßt sich nicht leugnen, daß dies Frauenraub ist. Als sie die Witwe zur Hütte hinauswarfen, trennten sie die Mädchen mit Gewalt von ihr, der die Aufsicht über sie zufiel, und damit entrissen sie sie ihrer Obhut.«
Viele Göinger klagten laut, als sie Sone das sagen hörten, aber niemand widersprach ihm, dazu war sein Ansehen zu groß.
»So weit sind wir also einig«, sagte Olof Sommervogel, »denn auch ich halte das Geschehene für Frauenraub. Und damit sind wir auch alle der Meinung, daß eine höhere Summe geboten werden muß, als wie Gudmund sie vorschlug. Aber damit sind wir noch lange nicht am Ende. Denn wie sollen wir beide Teile dazu bringen, unser Urteil gutzuheißen, da sie sich weigern, auf doppelten Brautkauf einzugehen? Mir scheint, wenn einer von beiden seinen Willen haben soll, so sind das die Virden.«
Orm hatte bisher schweigend dagesessen, aber nun wollte er wissen, wieviel bei den Virden, in Ochsen oder in Fellen gerechnet, der Brautkauf ausmachte und wieviel das in Silber wäre.
Ugge antwortete, daß man in Värend seit je die Bräute nach Fellen berechnete: 36 Marderfelle wurden für die Tochter eines angesehenen Bauern gegeben, wenn sie gesund, ohne Gebrechen und in heiratsfähigem Alter sei; und die Felle hatten dann gute, durch Pfeilschüsse unbeschädigte Winterfelle zu sein; oder auch dreißig Biberfeile, auch diese ohne Fehl; dagegen brauchte die Braut nicht mehr in die Ehe zu bringen als das, worin sie ging und stand, nebst einem neuen leinenen Hemd für das Brautlager, einem Hornkamm, drei Nadeln mit Öhr und einer Schere.
»Und alles das macht zusammen achtzehn Dutzend Marderfelle aus, wenn wir für zwei das Dreifache rechnen«, sagte er, »oder auch fünfzehn Dutzend Biberfelle, wenn ich richtig gerechnet habe. Das ist eine große Menge, und das alles in Silber zu berechnen, dürfte sogar dem Klügsten schwerfallen.«
Einige erfahrene Schöffen kamen ihm jetzt zu Hilfe, unter ihnen auch Toke Grägullesson, der das Rechnen in Fellen und Silber gewohnt war; und nachdem sie sich damit eine Weile gemüht hatten, erklärten sie insgesamt, daß der dreifache Kaufpreis für zwei Jungfrauen sieben und eine viertel Mark Silber ausmache, nicht weniger und nicht mehr.
»Und damit es wirklich stimmt«, sagte Toke, »haben wir ein und dreiachtel Öre für die Hemden abgezogen, die nicht mehr nötig sind.«
Als Gudmund zu Uvaberg diese große Summe nennen hörte, brach er in Lachen aus.
»Nein, nein«, rief er, »auf so etwas geh’ ich nie ein. Glaubt ihr denn, ich sei von Sinnen? Mögen sie sich schlagen; denn wie es auch ausgeht: billiger ist es jedenfalls.«
»Ja, sie sollen sich schlagen!« riefen mehrere Stimmen aus dem Zuschauerhaufen.
Nun erhob sich Orm und sagte, ihm sei etwas eingefallen, das in dieser schwierigen Lage vielleicht von Nutzen sein könne. Er gehöre nämlich zu denen, die es nicht für recht hielten, wenn man es zum Kampf kommen ließe.
»Es ist so, wie Gudmund meint«, sagte er, »daß sieben und eine viertel Mark Silber eine große Geldbuße ausmacht, wie sie jeden, der sie zu zahlen hätte, grämen könnte; und es gibt nicht viele, die so viel Silber auf einmal in Händen gehabt haben, ausgenommen jene, die in Franken geheert haben oder die zugegen gewesen sind, wenn Almanzur von Andalusien, einst mein Herr, die Beute verteilt hat; oder auch jene, die Lösegeld von König Ethelred von England entgegennahmen oder die einst beim Kaiser in Miklagärd dienten. Aber nehmen wir nun ein Drittel der Summe, so macht das zwei und ein drittel Mark und dazu ein Zwölftel; und teilen wir dieses Drittel in die Hälfte, so macht es ein und ein sechstel und ein vierundzwanzigstel Mark. Wir alle haben gehört, daß Agne und Slatte bereit sind, den gewöhnlichen Kaufpreis zu zahlen; zwei Sechstel wären also untergebracht. Nun habe ich mir
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