Die Abenteuer des Röde Orm
von dannen.
Die Männer hießen Ullbjörn und Greip. Sie waren jung, hatten lange Gesichter und Flachshaar, und daß sie stark waren, konnte man ihnen leicht ansehen. Mit ihrem Verstand war es aber nicht ebenso bestellt. Ihrer Sprache war anzuhören, daß sie von weither kamen: sie sagten, sie seien aus einem Lande, das Järbäraland heiße und weit oberhalb von Westgötland liege. Dort, sagten sie, wüchsen die Männer und Bären zu gleicher Stärke heran, und gerieten sie aneinander, so sei das Glück dem einen nicht günstiger als dem anderen. Nun sei dort schwere Hungersnot ausgebrochen, und um sich satt essen zu können, seien sie beide nach Süden gewandert. Sie hätten an vielen Orten in Westgötland und in Schonen gedient, aber sobald das Essen ihnen dort knapp geschienen, hätten sie, wie sie sagten, ihren Brotherrn erschlagen und seien weitergezogen.
Orm meinte: sie müßten an recht zahme Brotherren geraten sein, daß diese sich in das Erschlagenwerden gefunden hätten; aber die Männer blickten ihn ernsthaft an und baten ihn, an das zu denken, was sie gesagt hatten.
»Es ist nichts anderes als Berserkergang, der dann über uns kommt«, sagten sie, »und niemand kann uns standhalten. Bekommen wir aber genug zu essen, so sind wir friedlich und unserm Herrn zu Willen. So steht es nun einmal mit uns.«
»Zu essen sollt ihr so viel bekommen, als ihr in euch hineinbringen könnt«, sagte Orm, »und taugt ihr bei der Arbeit so, wie ihr’s behauptet, dann können eure Mahlzeiten gar nicht reichlich genug sein. Aber das sollt ihr wissen: wenn ihr an Berserkergang denkt, so seid ihr hier an den unrechten Ort geraten. Denn mit dergleichen habe ich keine Nachsicht!«
Sie blickten ihn nachdenklich an und fragten, ob es noch lange bis zum Mittagessen dauern werde?
»Denn es kann nun jeden Augenblick so weit sein, daß wir hungrig werden«, sagten sie.
Glücklicherweise wurde gerade, als das Gespräch so weit gekommen war, das Mittagessen aufgetragen.
Die Ankömmlinge standen ihren Mann und aßen so gierig, daß alle ihnen staunend zuschauten.
»Jetzt hat jeder von euch für drei gegessen«, sagte Orm, »und nun will ich sehen, daß ihr wenigstens für zwei arbeitet.«
»Ja, das sollst du«, sagten sie, »denn mit diesem Mittag waren wir zufrieden.«
Orm ließ sie zuerst einen Brunnen graben, und er mußte bald zugeben, daß sie nicht zu große Worte von ihrer Tüchtigkeit gemacht hatten; denn bald hatten sie den Brunnen fertig, der breit und tief und bis nach unten hinab mit Steinen ausgelegt war. Oft standen während der Arbeit die Kinder um sie her; die Männer sagten nicht viel, aber es war zu merken, daß sie die Blicke oft auf Ludmilla richteten. Ihr war vor ihnen nicht bange; sie wollte gern wissen, wie denn Berserkergang aussähe. Aber darauf bekam sie keine Antwort.
Dann ließ Orm sie unten am Fluß einen Bootsschuppen bauen, und auch der war bald fertiggestellt und machte ihnen alle Ehre. Ylva verbot ihren Töchtern, sich der Baustelle zu nähern, solange die beiden Fremden beschäftigt waren, denn niemand könne wissen, sagte sie, was solchen Halbtrollen in den Sinn kommen mochte.
Als der Schuppen fertig war, ließ Orm die beiden den Kuhstall auskehren. Alles Vieh war nun auf der Weide, und nur der Stier stand drinnen, da er allzu gefährlich war, um hinausgelassen zu werden. Der Dünger vom ganzen Winter lag noch in den Ständen, so daß es für Ullbjörn und Greip ansehnliche Tagesarbeiten gab.
Ihre Stärke und ihre seltsame Veranlagung ängstigte sowohl die Kinder wie das Hofgesinde. Ullbjörn und Greip hatten mit anderen Leuten nie viel zu reden, aber mitunter, wenn sie gefragt wurden, berichteten sie in Kürze von ihren Kraftproben und wie sie die Männer, die mit dem Essen geknausert, erwürgt oder bloß mit den Händen ihnen den Rücken geknickt hatten.
»Niemand kann uns standhalten«, wiederholten sie dann. »Aber hier werden wir satt und haben es gut. Und solange es so bleibt, ist keine Gefahr.«
Ludmilla war die einzige, die keine Furcht vor ihnen hatte. Sie ging oft zum Kuhstall, um ihnen zuzuschauen, bisweilen mit ihren Geschwistern, bisweilen auch allein. Die Männer hielten dann immer die Blicke auf sie gerichtet, und obwohl sie jung war, verstand sie sehr gut, was sie dabei dachten.
Eines Tages, als sie allein dastand, sagte Greip:
»Du bist das rechte Jüngferchen für mich.«
»Für mich auch«, sagte Ullbjörn.
»Wenn du nicht bange bist, will ich gern im Heu mit dir
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