Die Abenteuer des Röde Orm
fremden Schiffen außer Landes fahren.
Und Ulf Frohsinn versprach, noch viel besser auf Svarthövde achtzugeben als auf sich selbst. Das hielt dieser für überflüssig, aber er versprach von sich aus, stets vorsichtig zu sein; dennoch, sagte er, wolle er sich mit allen bösen Männern schlagen, die anderen die Augen ausstechen, falls er solchen begegnen würde. Er hatte nun Schwert und Spieß und fühlte sich schon ganz als Krieger. Orm freute sich, ihn bei sich zu haben, aber wollte das vor Ylva nicht merken lassen.
Vater Willibald hielt zum Abschied für die Seefahrer eine große Predigt und sprach einen langen Segen über sie. Toke und Olof Sommervogel und die heidnischen Männer ihrer Gefolgschaft saßen mit dabei und meinten alle, daß der Segen eine merklich stärkende Wirkung auf sie gehabt habe. Viele traten nachher auf den Priester zu, zogen ihre Schwerter und baten ihn, auch diese zu segnen.
Beim Aufbruch weinten die Frauen viel, und auch unter den Fortziehenden gab es manchen, der traurig gestimmt war. Die meisten aber freuten sich auf die Fahrt; sie versprachen, schöne Dinge mit heimzubringen, und auch Orm war guten Mutes, als er nun mit so prächtiger Gefolgschaft dahinritt.
Sie kamen zu Sone, dem Seher, um seine Söhne abzuholen, und die waren in kurzem reisefertig. Der Alte saß auf einer Bank an der Hauswand und wärmte sich in der Sonne. Er befahl den elf Söhnen, die jetzt fortziehen sollten, einzeln vor ihn hinzutreten, damit er jedem Lebewohl sage. Sie taten nach seinem Wunsch, und er betrachtete sie aufmerksam und versah sich kein einziges Mal, wenn er sie leise beim Namen nannte. Als auch der letzte vor ihm gestanden hatte, starrte der Alte still vor sich hin, und dann durchfuhr ihn ein Schauder, und die Augen schließend, lehnte er den Kopf an die Wand. Da entstand Unruhe bei den Söhnen; sie wichen zurück und murmelten scheu: »Jetzt schaut er! Seht doch! Jetzt schaut er!«
Nach einer Weile öffnete er die Augen, blickte wie abwesend umher, als sei er aus langem Schlaf erwacht. Dann kam er wieder zu sich, nickte seinen Söhnen zu und sagte, nun sollten sie reiten.
»Was hast du gesehen?« fragten sie.
»Euer Schicksal«, antwortete er.
»Werden wir zurückkommen?« fragten sie eifrig.
»Sieben kehren zurück.«
»Und die vier anderen?«
»Die bleiben, wo es ihnen bestimmt ist.«
Nun umdrängten ihn die elf und baten ihn eindringlich, die vier zu nennen.
»Denn wenn vier in der Ferne sterben sollen, dann ist es besser, sie bleiben daheim, damit ihnen nichts geschieht.«
Aber der Alte lächelte traurig.
»Jetzt redet ihr einfältig, wie so oft«, sagte er. »Ich habe das Gespinst der Spinnerinnen geschaut und weiß: vieren von euch ist nur noch kurze Zeit gegeben. Und ihren Faden kann niemand verlängern. Vier von euch werden sterben, wohin sie sich auch wenden mögen, und ihr werdet es früh genug erfahren, welche es sind.«
Er schüttelte nachdenklich den Kopf, dann sagte er: »Die Finger der Spinnerinnen schauen, das schafft dem Menschen keine Freude, und es sind ihrer nur wenige, die sie sehen. Dieses Schauen kommt über mich, obschon ich gern davon verschont bliebe. Aber die Gesichter der Spinnerinnen haben sich mir noch nie gezeigt.«
Wieder schwieg er. Dann blickte er seine Söhne an und nickte. »Geht nun«, sagte er. »Sieben kehren zurück. Und das ist genug.«
Die Söhne widersprachen nicht mehr, denn Scheu vor dem Alten hatte sie ergriffen, und ebenso war es Orm und seiner Gefolgschaft ergangen. Aber als sie nun fortritten, sagten die Söhne noch eine gute Weile bittere Worte über den Alten und sein absonderliches Wesen.
»Ich hätte ihn gern auch nach mir selbst gefragt«, sagte Toke, »aber ich wagte es nicht.«
»Ich hatte den gleichen Gedanken«, sagte Olof Sommervogel, »aber auch mir fehlte der Mut.«
»Mag sein, daß alles nur loses Geschwätz war«, sagte Orm. »Und doch – es kommt vor, daß auch unsere Alte Gesichte hat.«
»Nur wer Sone nicht kennt, kann es für leeres Geschwätz halten, wenn dies über ihn kommt«, sagte einer der Söhne, der in ihrer Nähe ritt. »Wie er’s gesagt hat, so wird es geschehen, denn es ist stets so gewesen. Und durch sein Reden macht er es für uns schlimmer, als er selbst das begreift.«
»Mir scheint, er begreift mehr als die meisten«, meinte Toke. »Euch mag es ja doch ein Trost sein, daß sieben von euch wohlbehalten zurückkehren werden.«
»Das schon«, erwiderte der andere finster. »Aber welche sieben?
Weitere Kostenlose Bücher