Die Abenteuer des Röde Orm
sei, und der rachgierige Statthalter habe nun diese Art als die beste ausfindig gemacht, um unter dem Vorwand der Gerechtigkeit über ihn herzufallen.
»Mein Trost ist aber, daß dies nicht lange dauern wird, denn meine Sippschaft ist mächtiger als die seine und steht beim Kalifen gut angeschrieben; daher werde ich bald befreit werden. Das ist auch der Grund, weshalb niemand hier auf dem Schiff mich mit der Peitsche anzutasten wagt: Man weiß, daß der nicht ungestraft bleibt, der die Hand an einen Verwandten des Propheten legt.«
Orm fragte, wann der Prophet gelebt habe, und Khalid sagte, das sei vor mehr als dreihundertfünfzig Jahren gewesen. Orm sagte, jener Prophet müsse in Wahrheit mächtig gewesen sein, da er sogar jetzt noch seine Verwandten beschützen und bestimmen könne, was sein Volk trinken dürfe. So große Macht habe in Schonen noch niemand gehabt, ja nicht einmal König Ivar der Weitgreifende, der mächtigste von allen, die je dort gelebt hätten. »Allerdings«, fügte er hinzu, »ist es bei uns daheim so, daß niemand, weder Könige, noch andere Leute, sich um das zu kümmern pflegt, was andere trinken.«
Orms Kenntnis des Arabischen und seine Fähigkeit, sich arabisch auszudrücken, nahm sehr zu, seitdem Khalid sein Kamerad geworden war, denn der redete ständig und hatte viel zu erzählen; und nach einiger Zeit wollte er erfahren, wo Orms Land liege und wie er auf diesen Platz am Ruder gekommen sei. Da erzählte Orm von Kroks Heerfahrt und wie er selbst auf die Reise mitgekommen und was nachher geschehen sei. Als er alles, so gut er konnte, berichtet hatte, sagte er: »Vieles davon ist geschehen, weil wir Salaman begegnet sind. Vielleicht war er jemand, der Glück hatte, denn er wurde aus der Gefangenschaft befreit. Er sagte, er sei in einer Stadt namens Toledo ein mächtiger Mann. Dort sei er Silberschmied und dazu der größte aller Dichter.«
Khalid sagte, er kenne ihn wohl, denn seine Silberarbeiten seien berühmt und auch seine Dichtung sei – für einen aus Toledo Gebürtigen – nicht übel.
»Es ist noch nicht lange her«, sagte er, »daß ich einen wandernden Sänger aus dem Norden ein Gedicht von ihm vortragen hörte; darin beschrieb er, wie er in die Hand eines asturischen Markgrafen gefallen und von ihm sehr gequält worden sei; und wie er sich dann befreit und wilde Räuber zu seiner Burg geführt habe. Diese habe er gestürmt und den Markgrafen getötet und seinen Kopf den Krähen zum Fräße auf eine Stange gesetzt. Dann sei er mit seinen Schätzen heimwärts gezogen. Das war in seiner einfachen Art eine gut gemachte Sache, wenn sie auch nicht die Weichheit des Tones besitzt, über die unsere besseren Dichter in Malaga verfügen.«
»Er spart nicht mit seinen Heldentaten«, sagte Orm, »und wenn er soviel hat ausrichten können, um sich an einem Feinde zu rächen, so sollte er auch etwas tun können, um Freunde zu belohnen, die ihm eine große Hilfe gewesen sind. Wir befreiten ihn aus der Knechtschaft und nahmen die Burg und setzten seine Rache ins Werk, und wenn er einer der Mächtigen im Lande ist, könnte er uns, die wir nun hier sitzen, einen Gegendienst tun. Denn ich weiß nicht, wie wir sonst frei werden könnten.«
Khalid sagte, Salaman sei für seinen Reichtum bekannt und stehe beim Kalifen in Ansehen, obschon er der rechten Lehre nicht angehöre. Orm fing nun an, Hoffnung zu hegen, aber er sagte seinen Landsleuten nichts von dem, was er von Khalid erfahren hatte. Es endete damit, daß Khalid versprach, sobald er wieder frei sein werde, Gruß und Botschaft an Salaman nach Toledo zu senden.
Aber die Tage gingen hin, ohne daß Khalid von seiner bevorstehenden Befreiung etwas hörte; seine Unruhe wuchs, und er raste arg gegen seine gleichgültigen Verwandten ; er fing auch ein langes Gedicht über die Verderblichkeit des Weines an und hoffte, es in irgendeinem Hafen aufschreiben lassen und dem Kalifen zustellen zu können, damit seine wahre Denkungsart bekannt werde; aber als er bis zum Besingen von Wasser und Zitronensaft gekommen war und behaupten mußte, daß das besser sei als Wein, ging es mit seinen Versen nur langsam vorwärts. Obschon er in dunklen Stunden damit fortfuhr, die Befehlshaber auf dem Schiff laut schreiend zu verwünschen, traf ihn doch nie ein Peitschenhieb; und das schien Orm ein gutes Zeichen dafür, daß er nicht lange dort bleiben werde.
In einem der östlichen Häfen, als das Schiff mit vielen anderen von einer anstrengenden Jagd auf
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