Die Abenteuer des Röde Orm
zurücklasse«, sagte Orm, »aber niemand kann sagen, was ich bei meiner Wiederkehr hier vorfinden werde, und ob das dann so sein wird, wie ich es mir heute denke.«
Nun gingen alle Schiffe in See und steuerten in verschiedene Richtungen. König Harald hielt südwärts auf die Inseln zu, aber Orms Schiff ruderte die Küste hinauf, um Själland im Norden zu umfahren. Der Wind war den Schiffen des Königs günstig, so daß sie bald weit entfernt waren.
Toke stand da und sah ihnen nach, bis die Segel klein geworden waren; dann sagte er:
»Dickbäuchig saß Der Dänen Herrscher Fast zu lange Auf krachender Kiste. Kann kaum glauben, Daß das Bündel Leicht ertrug des Blauzahns Schwere.«
Er trat an die Kiste heran und öffnete sie und hob sein Bündel heraus, das aus nichts anderem als aus der maurischen Frau bestand. Sie war matt und elend, denn in der Kiste war es eng und schwül gewesen, und sie hatte eine gute Weile drinnen gesessen. Als Toke sie auf den Boden stellte, sank sie vor Schwäche nieder und lag keuchend und zuckend da und sah halbtot aus, bis er ihr wieder aufhalf. Da fing sie an zu weinen und blickte um sich.
»Nun brauchst du nicht mehr bange zu sein«, sagte Toke. »Nun ist er weit weg.«
Sie saß bleich, mit großen Augen da und starrte das Schiff und die Männer an, ohne etwas zu sagen; und auch die Männer an den Rudern machten große Augen und fragten sich untereinander, was das wohl zu bedeuten habe. Aber wer am bleichsten war und am meisten starrte, das war Orm; er sah aus, als hätte ein großes Unglück ihn getroffen. Ake, der Schiffsherr, stand nachdenklich da und zupfte an seinem Bart.
»Als wir den Handel miteinander abschlossen«, sagte er zu Orm, »hast du nichts davon gesagt, daß eine Frau mitkommen würde. Wer ist sie? Und warum ist sie in einer Kiste an Bord gekommen?«
»Das geht dich nichts an«, antwortete Orm finster. »Kümmere dich um dein Schiff, wie wir uns um das kümmern, was uns angeht.«
»Wer nicht antworten will, mag Gefährliches zu verbergen haben«, sagte Ake. »Ich bin in Jellinge fremd und weiß nicht viel von dem, was dort vor sich geht. Aber daß hier nicht alles stimmt, kann ein jeder sehen, und mir könnte das leicht Schaden bringen. Wem ist sie gestohlen worden?«
Orm saß auf einem zusammengerollten Strick; er hatte die Hände um die Knie gefaltet und wandte Ake den Rücken zu. Er antwortete mit ruhiger Stimme, ohne den Kopf zu wenden: »Jetzt darfst du zwischen zwei Dingen wählen: entweder bist du still oder ich stürze dich kopfüber in die See. Wähle, wie du willst, und das sofort; denn du kläffst wie ein Dorfköter und störst mich.«
Ake wandte sich ab und murmelte irgend etwas und spuckte über Bord, und wer ihn am Steuer stehen sah, merkte leicht, daß er in finsteres Grübeln versunken und sehr schlecht gelaunt war. Aber Orm saß, wo er saß, und blickte in Gedanken geradeaus.
Als Tokes Mädchen etwas Stärkendes bekommen und sich etwas erholt hatte, machte die Seekrankheit sie bald wieder elend. Sie hing jammernd über der Reling, ohne sich um das zu kümmern, was Toke ihr zum Trost sagte. Endlich ließ er von ihr ab; er band sie mit einem Strick fest und setzte sich zu Orm.
»Jetzt ist das Schlimmste vorbei«, sagte er, »aber soviel ist sicher, daß es viel Kummer und Mühe macht, sich auf diese Weise eine Frau zu verschaffen. Nicht viele würden dergleichen wagen, aber vielleicht habe ich mehr Glück als die meisten.«
»Mehr Glück als ich hast du jedenfalls, darin gebe ich dir recht«, sagte Orm.
»Das ist noch nicht ganz sicher«, sagte Toke, »denn du hast immer Glück gehabt, und eine Königstochter zu gewinnen ist mehr, als wozu ich nun gekommen bin. Und du mußt nicht traurig sein, daß du es nicht ebenso hast machen können wie ich; denn da dein Mädchen so gut bewacht ist, wäre es gar zu schwierig gewesen.«
Orm lachte mit zusammengebissenen Zähnen. Er saß eine Weile schweigend da, dann befahl er Rapp, an Äkes Stelle das Steuerruder zu nehmen, damit Äkes Ohren nicht allzu lang würden.
»Ich habe immer geglaubt«, sagte er zu Toke, »daß die Freundschaft zwischen uns auf festem Grund steht, da wir so lange zusammengehalten haben; aber es ist schon so, wie die Alten sagten, daß ein Mann lange geprüft werden muß. Bei diesem verrückten Unternehmen, das du nun ins Werk gesetzt hast, hast du gehandelt, als ob ich überhaupt nicht da wäre oder nicht verdiente, in Betracht gezogen zu werden.«
»Du bist zu leicht
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