Die Abenteuer des Röde Orm
gekränkt«, sagte Toke. »Darin bist du nicht wie ein Häuptling. Viele hätten mich dafür gelobt, daß ich die Frau auf eigene Hand stahl, ohne erst andere zu belästigen; aber du bist nun einmal so, daß du meinst, man habe es an Ehrerbietung gegen dich fehlen lassen, wenn du nicht von Anfang an alles gewußt hast. Ich nenne die Freundschaft die beste, die einer solchen Sache wegen sich nicht gleich in Bosheit verkehrt.« Orm starrte ihn an. Er war weiß vor Zorn.
»Es ist schwer, so viel Einfalt wie die deine zu ertragen«, sagte er. »Was kümmere ich mich darum, wie du es angestellt hast, um dir die Frau zu stehlen, oder wie heimlich du die ganze Sache gehalten hast? Aber was mich angeht, ist dies: daß du uns König Harald zu einem wütenden Feinde gemacht hast, und dazu sind wir nun in seinem ganzen Reich friedlos geworden. Du hast dir dein Frauenzimmer geholt, aber mich hast du nun von meinem Mädchen geschieden. Man braucht nicht gerade empfindlich zu sein, um zu merken, daß bei solcher Freundschaft nicht alles stimmt.«
Toke konnte zu seiner Verteidigung nicht viel vorbringen, denn er mußte zugeben, daß er daran nicht gedacht hatte. Er versuchte Orm damit zu besänftigen, daß König Harald schon hinfällig sei und nicht lange mehr leben könne, aber das war für Orm nur ein geringer Trost; und je länger er es überdachte, desto gründlicher fühlte er sich von Ylva geschieden und desto größer wurde sein Zorn.
Als sie für die Nacht in einer geschützten Bucht an Land gegangen waren, wurden zwei Feuer angezündet: an dem einen saßen Orm und seine Leute, am anderen Ake mit seinem Schiffsvolk.
An Orms Feuer war niemand redselig; aber am anderen hatte man sich viel zu sagen, und man redete leise, um nicht an Orms Feuer gehört zu werden.
Als sie gegessen hatten, schlief die Frau in einen Mantel gewickelt am Feuer ein, und Orm und Toke saßen ein Stück voneinander entfernt schweigend da. Die Dämmerung fiel; ein kalter Wind ließ das Meer grau werden, und im Westen zogen Sturmwolken auf.
Orm seufzte mehrere Male und griff sich hart in den Bart. Toke stocherte sich in den Zähnen. Beide waren sehr zornig.
»Es wäre gut, nun ein Ende zu machen«, sagte Orm.
»Sag bloß, wie du es haben willst«, sagte Toke.
Rapp war nach Brennholz gegangen; er kam nun zurück und hörte ihre Worte. Er war ein schweigsamer Mann und mischte sich nur selten in die Angelegenheiten anderer; aber nun sagte er: »Es wäre gut, wenn ihr beide mit dem Kampf warten wolltet; denn hier wird es bald anderes zu tun geben.
Die Schiffsleute sind vierzehn Mann und wir sind drei; das ist ein starker Unterschied.«
Sie fragten ihn, was er Neues wüßte. »Sie wollen uns der Frau wegen überfallen«, sagte Rapp, »und davon versprechen sie sich viel. Ich hörte es beim Holzsammeln unter den Bäumen.«
Orm lachte. »Das wird ja immer besser und besser mit dem, was du angestellt hast«, sagte er zu Toke. Der schüttelte den Kopf und blickte sorgenvoll zu der schlafenden Frau hinüber.
»Damit ist es, wie es nun einmal ist«, sagte er, »und nun gilt es, guten Rat zu finden. Mir scheint es am besten, sofort über sie herzufallen, während sie noch ruhig dasitzen und Unheil gegen uns brauen. Ihrer sind viele; aber ihnen fehlt eine ganze Menge, um gegen uns aufzukommen.«
»Es sieht nach schlechtem Wetter aus«, sagte Rapp, »und da können wir es uns nicht leisten, viele von ihnen zu töten, denn wir haben sie auf dem Schiff nötig, wenn wir nicht hier sitzenbleiben wollen. Am besten wäre es, das, was geschehen muß, gleich zu tun, denn sonst ist es um unsere Nachtruhe schlecht bestellt.«
»Das sind ja bloß einfältige Leute von Fyn«, sagte Toke, »und sobald wir Ake und noch einige mehr niedergemacht haben, werden die anderen schon bereit sein, uns zu gehorchen. Aber jetzt ist es an dir, Orm, zu sagen, was zu geschehen hat. Vielleicht wäre es am besten, sie im Schlaf zu überfallen.«
Nun, da es etwas zu tun gab, fühlte Orm sich nicht mehr so trüben Sinnes. Er stand auf, wie um sein Wasser zu lassen; dabei konnte er das andere Feuer überblicken. Als er sich wieder gesetzt hatte, sagte er: »Dort um das Feuer sitzen zwölf, und das mag bedeuten, daß zwei, ohne daß wir etwas davon gemerkt haben, landein geschickt worden sind, um Hilfe zu holen. Dann haben wir bald einen größeren Schwarm über uns, und darum ist es am besten, mit ihnen auf der Stelle reinen Tisch zu machen. Es sind Leute von geringer Betriebsamkeit
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