Die Abenteuer des Röde Orm
und ohne Voraussicht, denn sonst hätten sie schon versucht, sich über dich, Rapp, herzumachen, als du soeben allein gingst. Jetzt aber wollen wir ihnen zeigen, daß sie sich in acht nehmen müssen, wenn sie mit uns zu tun haben. Ihr beide sollt leise hinter mir herkommen, sobald ich hinübergegangen bin und mit ihnen ins Gespräch gerate, so daß aller Augen auf mich gerichtet sind. Wenn es gut ablaufen soll, müßt ihr scharf und schnell drauflos hauen. Ich muß ohne Schild gehen, aber dabei ist nichts zu machen.«
Er nahm eine hölzerne Schale, aus der sie beim Abendessen Bier getrunken hatten, und ging zu Äkes Feuer hinüber, wie wenn er aus dem Fäßchen, das dort an Land gesetzt worden war, neues Bier abzapfen wollte. Ein paar Männer hatten sich schon am Feuer zum Schlaf niedergelegt, aber die meisten saßen wach da und hatten die Augen auf Orm gerichtet. Als er die Schale gefüllt hatte, blies er den Schaum ab und nahm einen Schluck.
»Dein Faß ist von schlechtem Holz«, sagte er zu Ake. »Das Bier hat ja schon Holzgeschmack.«
»Bier, das König Harald gut genug fand, mag auch für dich genügen«, antwortete Ake mürrisch. »Aber so viel verspreche ich dir, daß du von dieser Sorte nicht mehr zu trinken brauchst.«
Die Männer lachten, aber Orm ließ sich nichts anmerken und reichte ihm die Schale. »Schmecke selbst, ob ich nicht recht habe«, sagte er.
Ake nahm die Schale, dort wo er saß, entgegen. Als er sie dicht am Munde hielt, versetzte Orm ihr von unten her einen Fußtritt, so daß Äkes Kiefer weit auseinander gespalten wurde und das Kinn ihm auf die Brust fiel.
»Merkst du nun den Holzgeschmack?« fragte Orm, und dabei zog er sein Schwert und schlug nach einem Mann, der ihm am nächsten saß und jetzt vom Boden aufsprang.
Die Männer rings um das Feuer waren so verblüfft, daß sie kaum ihre Waffen ergriffen hatten, als schon Toke und Rapp sie rücklings überfielen, und nun ließ man ihnen nicht mehr viel Zeit, um zu zeigen, was sie taugten. Vier, außer Ake, wurden getötet, zwei entkamen in den Wald, und die übrigen fünf wurden auf das Schiff gedrängt und machten sich dort zur Verteidigung bereit. Orm forderte sie auf, die Waffen fortzuwerfen, dann wolle man ihr Leben schonen.
»Wir können nicht wissen, ob du Wort hältst«, sagten sie und standen unentschlossen da.
»Das mag sein«, sagte Orm, »aber ihr könnt immerhin hoffen, daß ich nicht ebenso treulos bin wie ihr.«
Sie überlegten untereinander und meinten, daß ihnen das nicht viel Sicherheit gebe; lieber wollten sie mit ihren Waffen ihres Weges gehen und Orm das Schiff und alles andere überlassen.
»Da gebe ich euch statt dessen die Versicherung, daß ihr, wenn ihr nicht sofort gehorcht, alle dort, wo ihr steht, totgeschlagen werdet, und das paßt euch vielleicht besser.«
Damit stieg Orm auf das Schiff und ging, ohne erst auf Toke und Rapp zu warten, auf sie zu. Er war durch einen Steinwurf barhäuptig geworden, und warf scharfe, zornige Blicke um sich und hielt Blauzunge entblößt in der Hand; so trat er auf sie zu, als wolle er Hunden Prügel geben; da gehorchten sie ihm und warfen unter bösen Worten über Ake ihre Waffen fort. Denn es machte sie mutlos, daß alles ganz anders gekommen war, als der es ihnen gesagt hatte.
Es wurde nun dunkel und ein frischer Wind kam auf; aber Orm fand es am ratsamsten, an diesem Platz nicht länger zu bleiben. Denn sonst, sagte er, würden bald die Seeländer eines halben Gerichtskreises angetummelt kommen und ihnen König Haralds Eigentum wegnehmen. Darum müßten sie nun ihr Glück auf See versuchen, und das bei Dunkelheit und stürmischem Wetter und mit nur wenigen Männern an den Rudern. Alles das einer Sache wegen, deren Folgen sie lange spüren würden!
Sie hatten es nun sehr eilig und brachten die Biertonne und die Kisten mit den Eßvorräten an Bord. Die Frau weinte leise und klapperte aus Furcht vor einer solchen Reise mit den Zähnen. Sie kam aber mit, ohne zu klagen. Orm stand mit seinem Schwert über den Gefangenen, wo man sie an die Ruder gesetzt hatte, während Toke und Rapp das Bier ins Schiff hoben; Toke war dabei ungeschickt und packte nicht richtig an, und Orm befahl ihnen zu eilen.
»Wo ich zugreife, ist es für mich glatt«, sagte Toke betrübt. »Die Finger gleiten aus, denn meine Hand ist zerhauen.«
Orm hatte ihn noch nie so niedergeschlagen gesehen; ihm war die Schwerthand längs dem Mittelfinger gespalten, so daß je zwei und zwei seiner Finger nach
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