Die Abenteuer des Röde Orm
Thorkel, es mit List zu versuchen; er verstehe sich gut auf Priester und wisse, wie man ihnen gegenüber auftreten müsse, um sie zu dem zu bringen, was man von ihnen verlangte.
Er ließ nun ein großes Kreuz herabnehmen, das über dem Altar in der Kirche hing; zwei Männer trugen es vor ihm her, und er stellte sich damit unter dem Turm auf und rief hinauf, daß er zur Pflege der Verwundeten Priester brauche; noch mehr aber habe er selber sie nötig, um in der christlichen Lehre unterwiesen zu werden, wonach er in der letzten Zeit starke Sehnsucht verspürt habe; und er werde so gegen sie handeln, als sei er bereits Christ und werde daher alle, die aus dem Turm herabkämen, an Leib und Leben ungeschädigt lassen.
Als er so weit gekommen war, kam ein Stein vom Turm geflogen und traf seinen Schildarm oben an der Schulter, so daß er umgeworfen wurde und ihm dabei der Arm brach. Die beiden Männer ließen das Kreuz fahren und halfen ihm vom Turme fort, und man hörte die Leute droben jubeln. Jostein, der dabeistand und zusah, zuckte mit den Mundwinkeln und sagte, mit der Anwendung einer Kriegslist sei es nicht immer so einfach, wie gedankenlose junge Leute es sich wohl einbilden möchten.
Thorkels Mannen wurden von Raserei ergriffen, als sie sahen, daß ihr Häuptling zu Schaden gekommen war, und ihre Pfeile flogen in dichten Schwärmen gegen die Luken des Turmes. Aber das nützte nichts, und die Lage sah mißlich aus. Orm sagte, er habe im Südlande gesehen, wie Almanzurs Leute Christen aus Kirchtürmen herausräucherten, und das wurde nun gleich versucht. Man brachte große Mengen Holz und feuchtes Stroh in die Kirche und häufte es auch rings um den Turm, worauf es angezündet wurde; aber der Turm war hoch, und der Wind trieb den größten Teil des Rauches ab; und schließlich wurden alle der Sache müde und beschlossen, sich zu gedulden, bis sie dort oben anfangen würden, Hunger zu spüren.
Thorkel war niedergeschlagen, weil ihm seine List mißlungen war; er fürchtete nun Stichelreden. Es sei schlimm, sagte er, daß er eine Zeitlang nicht mit den anderen werde ausreiten können, sondern jetzt in Maeldun sitzen und das Lager hüten müsse; und er verlangte nach heilkundigen Männern, die nach seinem Arm sähen. Während er nun mit herabhängendem Arm bei warmem Bier am Feuer saß, kam unter anderem auch Orm zu ihm; und viele betasteten seinen Arm, aber niemand konnte herausbringen, auf welche Weise er am besten zu schienen sei. Thorkel sah böse grinsend zu und sagte zuletzt, nun seien genug Heilkünste getrieben worden und man solle den Arm irgendwie, mit oder ohne Schienen, zusammenbinden.
»Und nun ist wahr geworden, was ich gesagt habe«, fügte er hinzu, »nämlich, daß ich einen Priester nötig habe; denn Priester verstehen sich auf solche Dinge.«
Orm nickte und sagte, Priester seien hervorragende Ärzte; auf dem Julgastmahl bei König Harald sei er viel schwerer zu Schaden gekommen als jetzt Thorkel, und dennoch habe ein Priester ihn heilen können. Und auch jetzt, sagte er, sei ihm einer vonnöten, denn von dem Schlag, den er mit einer eisenbeschlagenen Keule auf den Schädel erhalten habe, schmerze ihm fortwährend der Kopf, so daß er mitunter glaube, irgend etwas innendrin sei entzweigegangen.
»Ich halte dich für den klügsten aller meiner Schiffshäuptlinge«, sagte Thorkel, als sie allein waren, »und ebenso, seit Fahrweit gefallen ist, für den besten Krieger, aber dennoch gehörst du ganz deutlich zu denen, die leicht den Mut sinken lassen, wenn etwas quer geht, selbst dann, wenn das Unglück nicht groß ist.«
»Ich werde dir sagen, wie es um mich steht«, sagte Orm. »Ich bin ein Mann, der kein Glück mehr hat. Früher war es anders; da hatte ich Glück, und häufiger als die meisten anderen kam ich mit heiler Haut davon und hatte in allem Erfolg. Aber seit ich vom Südlande heimgekommen bin, ist alles anders gegangen, als ich wollte, so daß ich weder meine goldene Kette mehr habe noch meine Braut, noch den Mann, mit dem ich mich am besten stand. Und im Kampf ist es so, daß ich kaum das Schwert ziehen kann, ohne zu Schaden zu kommen, und wenn ich den Rat gebe, einen Kirchturm auszuräuchern, so will nicht einmal das glücken.«
Thorkel meinte, er habe schon schlimmere Unglücksvögel als Orm gesehen, aber der schüttelte den Kopf und ließ sein Schiffsvolk unter Rapps Führung auf Plünderung ziehen; er selbst blieb bei Thorkel in der Stadt und saß mit seinen sorgenvollen Gedanken
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