Die Abenteuer des Sherlock Holmes Bd.1
worden, doch das schwache Atmen unseres neuen Gefährten und seine ständig krampfenden Hände redeten deutlich von seiner Nervenanspannung.
»Da wären wir«, sagte Holmes, als wir ins Zimmer traten. »Das Feuer ist gerade das Richtige bei solchem Wetter. Frieren Sie, Mr. Ryder? Bitte, nehmen Sie den Korbsessel. Ich will nur noch meine Pantoffeln anziehen, ehe wir Ihre kleine Angelegenheit in Ordnung bringen. Nun denn! Sie möchten wissen, was mit jenen Gänsen wurde?«
»Ja, Sir.«
»Oder vielmehr – nehme ich an –, mit jener einen Gans. Es handelt sich nur um einen Vogel – stelle ich mir vor –, der Sie interessiert, einen weißen mit einem schwarzen Streifen quer über dem Schwanz.«
Ryder zitterte vor Erregung. »Sir, Sie können mir sagen, wohin er geraten ist?«
»Hierher.«
»Hierher?«
»Ja, und es stellte sich heraus, daß er ein höchst bemerkenswerter Vogel war. Kein Wunder, daß Sie an ihm interessiert sind. Er legte ein Ei nach seinem Tod – das schönste, glänzendste kleine blaue Ei, das es je gegeben, hat. Es befindet sich in meinem Museum.«
Unser Besucher erhob sich schwankend und klammerte sich mit der rechten Hand am Kaminsims fest. Holmes schloß seine Kassette auf und hielt den blauen Karfunkel hoch, der wie ein Stern glänzte, kalt, sprühend, vielstrahlig glitzernd. Ryder stand mit erschöpftem Gesicht da, unsicher, ob er ihn fordern oder ihn aufgeben sollte.
»Das Spiel beginnt, Ryder«, sagte Holmes ruhig. »Halten Sie sich aufrecht, Mann, oder Sie fallen ins Feuer. Watson, stützen Sie ihn in den Sessel zurück. Er ist zu blutarm, um ungestraft ein Verbrechen zu begehen. Geben Sie ihm einen Schluck Kognak. So! jetzt sieht er schon ein bißchen menschlicher aus. Was er doch für ein Hänfling ist.«
Für einen Augenblick taumelte Ryder und wäre fast gefallen, aber der Kognak brachte einen Anflug Farbe in die Wangen zurück, und dann saß er und starrte mit erschrockenen Augen auf seinen Ankläger.
»Ich habe fast alle Glieder der Kette und alle Beweise in der Hand, die ich möglicherweise brauche, und es gibt wenig, das Sie mir erklären müssen. Aber das Wenige sollte der Vollständigkeit halber ebenfalls zur Sprache kommen. Wie erfuhren Sie, Ryder, von dem blauen Stein der Countess of Morcar?«
»Catherine Cusack hat mir von ihm erzählt«, sagte er mit brüchiger Stimme.
»Aha. Die Zofe der Lady. Nun, die Versuchung, auf einfache Weise plötzlich reich zu werden, war zuviel für Sie – wie auch schon für andere Männer vor Ihnen; aber Sie waren nicht gerade wählerisch in den Mitteln, die Sie einsetzten. Mir scheint, Ryder, in Ihnen steckt das Zeug zu einem richtigen Schurken. Sie wußten, daß Horner, der Klempner, schon einmal in eine ähnliche Sache verwickelt war und daß der Verdacht um so eher auf ihn fallen mußte. Was taten Sie? Sie sorgten für eine kleine Reparatur im Zimmer der Lady – Sie und Ihre Vertraute Cusack – und drehten es so, daß man gerade diesen Mann rief. Dann, als er weg war, brachen Sie die Schmuckkassette auf, schlugen Alarm und ließen den unglücklichen Mann verhaften. Danach…«
Plötzlich warf Ryder sich auf den Teppich und umklammerte die Knie meines Gefährten. »Haben Sie, um Gottes willen, Erbarmen!« schrie er. »Denken Sie an meinen Vater! An meine Mutter! Es würde ihnen das Herz brechen. Nie zuvor habe ich Schlechtes getan! Ich will so etwas nie mehr tun. Das schwöre ich. Das schwöre ich auf die Bibel. Oh, bringen Sie mich nicht vor Gericht! Um Christi willen nicht!«
»Setzen Sie sich wieder!« sagte Holmes unnachgiebig. »Es ist einfach, sich jetzt zu krümmen und zu kriechen; aber an den armen Horner haben Sie kaum gedacht, der wegen eines Verbrechens auf der Anklagebank sitzt, von dem er keine Ahnung hat.«
»Ich werde fliehen, Mr. Holmes. Ich werde das Land verlassen, Sir. Dann bricht die Anklage gegen ihn zusammen.«
»Hm. Darüber werden wir noch sprechen. Aber jetzt möchten wir erst einmal einen wahrheitstreuen Bericht vom nächsten Akt hören. Wie kam der Stein in die Gans, und wie kam die Gans auf den Markt? Sagen Sie uns die Wahrheit, denn darin liegt Ihre einzige Chance.«
Ryder fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. »Ich berichte Ihnen, wie es gewesen ist, Sir«, sagte er. »Als Horner verhaftet war, schien es mir das beste zu sein, sofort mit dem Stein zu verschwinden, denn ich wußte nicht, wann die Polizei die
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