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Die Abenteuer des Sherlock Holmes

Die Abenteuer des Sherlock Holmes

Titel: Die Abenteuer des Sherlock Holmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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Winchester.«
    »Das paßt ja ausgezeichnet. Dann sollte ich wohl meine Analyse der Azetone aufschieben; vielleicht müssen wir morgen früh in guter Verfassung sein.«
    Um elf Uhr am nächsten Tag waren wir bereits weit auf dem Weg zur alten Hauptstadt Englands gediehen. Die ganze Strecke bis hierher hatte Holmes sich in den Morgenzeitungen vergraben, aber als wir die Grenze von Hampshire 45 hinter uns gelassen hatten, warf er sie beiseite und begann die Landschaft zu bewundern. Es war ein idealer Frühlingstag: Hellblauer Himmel, gesprenkelt von kleinen weißen Wolkenvliesen, die von Westen nach Osten trieben. Die Sonne schien sehr hell, und dennoch barg die Luft eine ermunternde Frostschärfe, die unseren Tatendurst förderte. Über das ganze Land bis hin zu den wogenden Hügeln um Aldershot lugten die kleinen roten und grauen Dächer der Bauernhäuser durch das helle Grün des frischen Blattwerks.
    »Ist nicht alles frisch und wunderschön?« rief ich mit der ganzen Begeisterung eines Mannes, der eben erst den Nebel der Baker Street hinter sich gelassen hatte.
    Holmes jedoch schüttelte ernst den Kopf. »Wissen Sie, Watson«, sagte er, »es ist der Fluch eines Geistes, der wie der meine angelegt ist, daß ich alles im Hinblick auf mein besonderes Thema betrachten muß. Sie schauen sich diese verstreuten Häuser an und sind von ihrer Schönheit beeindruckt. Ich sehe sie an, und der einzige Gedanke, der mir kommt, ist ein Gespür für ihre Isolation und die Straflosigkeit, mit der dort Verbrechen begangen werden können.«
    »Lieber Himmel!« rief ich. »Wer denkt denn bei diesen liebenswerten alten Heimstätten an Verbrechen?«
    »Mich erfüllen sie immer mit einem gewissen Grauen. Gestützt auf meine Erfahrung, Watson, glaube ich, daß die niedrigsten und übelsten Straßen Londons kein schrecklicheres Sündenregister zu bieten haben als das lächelnde und wunderschöne Land.«
    »Das ist ja entsetzlich!«
    »Aber die Gründe dafür sind ganz offensichtlich. Der Druck der öffentlichen Meinung kann in der Stadt etwas erreichen, was das Gesetz nicht vermag. Keine Nebenstraße ist so schlimm, daß nicht der Schrei eines gequälten Kindes oder die dumpfen Schläge, die ein Betrunkener austeilt, bei den Nachbarn Mitgefühl und Empörung auslösten, und zudem ist die ganze Maschinerie des Rechts immer so nahe, daß ein Wort der Klage sie in Gang setzen kann, und zwischen Verbrechen und Anklagebank liegt nur ein kleiner Schritt. Aber schauen Sie sich diese einsamen Häuser an, jedes von seinen eigenen Feldern umgeben, und die meisten von ihnen sind voll armer unwissender Leute, die wenig Ahnung vom Gesetz haben. Denken Sie an die Taten von höllischer Grausamkeit, die verborgene Niedertracht, die jahrein, jahraus an solchen Orten herrschen mag, ohne sich je zu bessern. Wenn diese Dame, die sich an uns um Hilfe gewandt hat, eine Stellung in Winchester angetreten hätte, dann hätte ich mich niemals um sie gesorgt. Es sind die fünf Meilen Landes, die die Gefahr ausmachen. Immerhin ist es aber klar, daß sie nicht persönlich bedroht ist.«
    »Nein. Wenn sie nach Winchester kommen kann, um uns zu treffen, dann kann sie sich frei bewegen.«
    »Sehr richtig. Die Freiheit ist ihr nicht genommen.«
    »Was kann denn nur hinter der Sache stecken? Haben Sie wirklich keine Erklärung, die Sie anbieten könnten?«
    »Ich habe sieben verschiedene Erklärungen entwickelt, von denen jede die uns bekannten Tatsachen hinlänglich erfaßt. Aber welche von ihnen die richtige ist, kann nur mit Hilfe weiterer Informationen festgestellt werden, und die werden wir bei unserem Eintreffen vorfinden. Na, da ist der Turm der Kathedrale, und bald werden wir alles wissen, was uns Miss Hunter zu erzählen hat.«
    Der
Black Swan
ist ein Gasthaus mit gutem Ruf in der High Street, nicht weit entfernt vom Bahnhof, und dort trafen wir die junge Dame an, die auf uns wartete. Sie hatte einen Nebenraum reserviert, und unser Mittagessen stand bereits auf dem Tisch.
    »Ich bin so froh, daß Sie gekommen sind«, sagte sie ernst. »Es ist so nett von Ihnen beiden; aber ich weiß wirklich nicht mehr, was ich tun soll. Ihr Rat wäre wirklich von unschätzbarem Wert für mich.«
    »Erzählen Sie uns doch bitte, was Ihnen widerfahren ist.«
    »Das werde ich tun, und ich muß mich beeilen, weil ich nämlich Mr. Rucastle versprochen habe, vor drei Uhr zurück zu sein. Er hat mir erlaubt, heute morgen in die Stadt zu fahren, aber er weiß natürlich nicht, zu

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