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Die Abenteuer des Sherlock Holmes

Die Abenteuer des Sherlock Holmes

Titel: Die Abenteuer des Sherlock Holmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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habe die beiden Flechten nebeneinandergelegt, und ich versichere Ihnen, sie waren identisch. Ist das nicht sonderbar? So sehr ich mir auch den Kopf zerbrochen habe, ich konnte nicht dahinterkommen, was das zu bedeuten hatte. Ich habe das fremde Haar wieder in die Schublade gelegt und den Rucastles nichts davon erzählt, weil ich das Gefühl hatte, ein Unrecht begangen zu haben, indem ich eine Schublade öffne, die sie verschlossen hatten.
    Wie Sie bemerkt haben werden, Mr. Holmes, bin ich eine gute Beobachterin, und ich hatte sehr bald den Plan des ganzen Hauses im Kopf. Es gibt aber einen Flügel, der völlig unbewohnt zu sein scheint. Dorthin geht eine Tür, die jener gegenüberliegt, die zu den Räumen der Tollers führt, und diese Tür war immer verschlossen. Aber eines Tages, als ich die Treppe hinaufstieg, habe ich Mr. Rucastle getroffen, wie er aus dieser Tür tritt, die Schlüssel in der Hand und mit einem Gesichtsausdruck, der ihn zu einer ganz anderen Person machte als dem rundlichen, jovialen Mann, an den ich gewöhnt war. Seine Wangen waren rot, seine Stirn von Zorn ganz zerfurcht, und an seinen Schläfen traten die Adern hervor, aus Erregung. Er hat die Tür abgeschlossen und ist an mir vorbeigeeilt, ohne ein Wort oder einen Blick.
    Das hat meine Neugier geweckt; also bin ich, als ich mit meinem Schützling einen Spaziergang durch die nähere Umgebung gemacht habe, unauffällig dahin gegangen, von wo aus ich die Fenster sehen konnte, die zu diesem Teil des Hauses gehören. Es sind vier nebeneinander; drei von ihnen waren einfach schmutzig, aber das vierte war mit Läden versperrt. Offensichtlich war da alles unbewohnt. Während ich da auf und ab gegangen bin und gelegentlich einen Blick auf die Fenster geworfen habe, ist Mr. Rucastle aus dem Haus gekommen, zu mir; er sah so fröhlich und jovial aus wie immer.
    ›Ah‹, hat er gemacht, ›Sie müssen mich nicht für grob halten, weil ich ohne ein Wort an Ihnen vorbeigegangen bin, meine liebe junge Dame. Ich hatte den Kopf voll mit geschäftlichen Dingen.‹
    Ich habe ihm versichert, daß ich nicht beleidigt war. Dann habe ich gesagt: ›Übrigens scheinen Sie ja da oben eine ganze Reihe ungenutzter Räume zu haben, und in einem sind die Läden geschlossen.‹
    ›Die Photographie ist eines meiner Steckenpferde‹, sagt er. ›Ich habe mir da oben meine Dunkelkammer eingerichtet. Aber, liebe Güte! was für eine aufmerksame junge Dame wir da haben. Wer hätte das denn gedacht? Wer hätte das denn jemals gedacht?‹ Er hat in einem scherzhaften Tonfall gesprochen, aber in seinen Augen war kein Scherz, als er mich angesehen hat. Ich habe in ihnen Mißtrauen und Verärgerung gelesen, aber keinen Scherz.
    Nun habe ich von dem Moment an, Mr. Holmes, als ich begriffen hatte, daß in diesen Räumen etwas war, was ich nicht wissen durfte, darauf gebrannt, sie mir anzuschauen. Das war nicht nur die reine Neugier, obwohl ich davon auch genug mitbekommen habe. Es war mehr eine Art Pflichtgefühl – ein Gefühl, daß sich irgend etwas Gutes daraus ergeben kann, wenn ich in diese Ecke des Hauses eindringe. Man redet immer von weiblichen Instinkten; vielleicht war es ein weiblicher Instinkt, der mir dieses Gefühl eingeflößt hat. Es war jedenfalls da, und ich habe ungeduldig auf eine Möglichkeit gewartet, durch die verbotene Tür gehen zu können.
    Die Möglichkeit hat sich erst gestern ergeben. Ich kann Ihnen noch sagen, daß neben Mr. Rucastle sowohl Toller als auch seine Frau in diesen öden Räumen etwas zu tun haben, und einmal habe ich Toller gesehen, wie er einen großen schwarzen Leinenbeutel mit durch die Tür genommen hat. In der letzten Zeit hat er kräftig getrunken, und gestern abend war er betrunken; und als ich nach oben gekommen bin, steckte ein Schlüssel in der Tür. Ich bin ganz sicher, daß er ihn da hat stecken lassen. Mr. und Mrs. Rucastle waren beide unten, und das Kind war bei ihnen, also hatte ich eine prächtige Gelegenheit. Ich habe den Schlüssel leise im Schloß gedreht, die Tür geöffnet und bin hineingeschlüpft.
    Vor mir lag ein kleiner Gang, ohne Tapeten und ohne Teppiche, der am Ende in einem rechten Winkel nach rechts bog. Hinter dieser Ecke liegen drei Türen nebeneinander, die erste und die dritte standen offen. Sie führen in leere Zimmer, verstaubt und freudlos; das eine hat zwei, das andere ein Fenster, und alle so dick mit Schmutz beschmiert, daß das Abendlicht nur schwach hindurchschimmern kann. Die mittlere Tür war

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