Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
winkte die beiden durch.
    ~
    Als sie die Tür zu Kates New Yorker Wohnung öffneten, quoll ihnen ein strenger Geruch entgegen. Kate tippte sich an die Stirn. Schon wieder hatte sie vergessen, vor der Reise den Müll runter zu bringen. Tapfer hielten sie sich die Nase zu und stolperten vorwärts. Während Kate das Gepäck durch die Tür zerrte, riss ihr Enkel sämtliche Fenster auf und kümmerte sich dann um den Abfalleimer, in dem schon ein stattliches Dickicht mit allerlei Getier gewachsen war. Als sie endlich auch das Blasrohr in die winzige Wohnung gezwängt hatten, ließ sich Kate breitbeinig aufs Sofa plumpsen und schnaufte. Sie merkte langsam, dass sie nicht mehr die Jüngste war.
    Alex zog die drei runden Dinger aus seinem Anorak und legte sie auf den Tisch. Kate warf einen unbeteiligten Blick darauf. Siesahen aus wie diese Briefbeschwerer aus Glas, die sich die Touristen als Souvenir kaufen.
    »Es sind Diamanten, Kate«, sagte ihr Enkel.
    »Na klar! Und ich bin Marilyn Monroe.«
    »Wer?«
    »Was!« Sie starrte ihn entgeistert an.
    »Sagt mir halt nichts, wohl eher jemand aus deiner Zeit.« Er hielt ihren Blick aus.
    »Das hier ist meine Zeit! Jedenfalls mehr als deine. Wenigstens lebe ich nicht hinterm Mond«, schnaubte sie.
    »Es sind wirklich Diamanten«, nahm er einen neuen Anlauf.
    »Okay, Alexander, es sind Diamanten.«
    »Du wolltest mich doch Jaguar nennen, oder? Ist immerhin mein Totemtier. Die Diamanten gehören eigentlich den Indianern, Kate, sie sind für die Nebelmenschen bestimmt. Ich habe Nadia versprochen, dass wir ihnen damit helfen.«
    »Ja, ja.« Kate hörte überhaupt nicht zu.
    »Mit den Steinen können wir die Stiftung finanzieren, die du zusammen mit Professor Leblanc gründen wolltest.«
    »Ich glaube, bei dir sind ein paar Schrauben locker, seit sie dir mit dem Knüppel eins übergebraten haben, mein Lieber«, sagte sie und ließ die Kristalleier in ihrer Jackentasche verschwinden, damit er endlich Ruhe gab.
    In den nächsten Wochen sollte sie Gelegenheit haben, ihr Urteil über ihren Enkel noch einmal zu überdenken. Kate besaß die Kristalleier nun schon seit zwei Wochen, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, bis sie einmal ihre Jacke von einer Stuhllehne nahm und dabei eines aus der Tasche und ihr auf die Zehen fiel. Ihr Enkel war mittlerweile wieder zu Hause in Kalifornien bei seinen Eltern. Ein paar Tage lief sie mit einem wehen Fuß herum und spielte zerstreut mit den runden Dingern in ihrer Jackentasche. Als sie eines Morgens beim Italiener an der Ecke einen Kaffee trank, vergaß sie eins davon auf dem Tisch. An der nächsten Querstraße hörte sie den Cafébesitzer, den sie seit zwanzig Jahren kannte, hinter sich rufen:
    »Kate! Dein Glasei, du hast es liegen lassen!« Er warf es ihr über die Köpfe der Passanten hinweg zu.
    Sie fing das glitzernde Ei auf und dachte im Weitergehen, es sei wohl langsam an der Zeit, etwas in dieser Sache zu unternehmen. Ein bisschen peinlich war es zwar, aber fragen kostete ja nichts, also machte sie sich auf den Weg in die Straße der Juweliere, wo ein früherer Verehrer von ihr, Isaac Rosenblat, seinen Laden hatte. Vierzig Jahre zuvor hätte sie ihn fast geheiratet, wäre nicht Joseph Cold auf der Bildfläche erschienen, der ihr mit einem Flötenkonzert völlig den Kopf verdreht hatte. Keine Frage, diese Flöte musste Zauberkräfte besitzen. In kürzester Zeit war Joseph Cold einer der berühmtesten Konzertmusiker der Welt geworden. ›Und ebendiese Flöte muss mein hirnverbrannter Enkel am Amazonas in die Büsche werfen!‹, dachte Kate grimmig. Dafür hatte sie Alexander auf dem Rückflug noch einmal ordentlich den Kopf gewaschen.
    ~
    Isaac Rosenblat war eine Institution in der jüdischen Gemeinde von New York, er war reich, allgemein geachtet und Vater von sechs Kindern. Sein Leben verlief in ruhigen Bahnen, er kam seinen Verpflichtungen nach, ohne viel Aufhebens darum zu machen, und war mit sich und seinem Leben im Reinen; als er jedoch Kate Cold seinen Laden betreten sah, überflutete ihn ein Woge von Erinnerungen. Sofort fühlte er sich wieder wie der schüchterne Junge, der bis über beide Ohren in diese Frau verschossen gewesen war, seine erste große Liebe. Damals war sie ein junges Mädchen mit porzellanfarbener Haut und unbezähmbaren roten Locken gewesen; jetzt war sie faltiger als ein zerknittertes Pergament, und die eher schlecht als recht gestutzten grauen Haare sahen den Borsten eines Pfeifenputzers zum Verwechseln

Weitere Kostenlose Bücher