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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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über eine Stunde lang auf einem schmalen Pfad, der sich zwischen den Dampfsäulen hindurch und an den siedenden Tümpeln vorbeischlängelte, bis die Höhlensiedlung der Yetis weit hinter ihnen lag und sie das gegenüberliegende Ende des Tals erreichten.
    Dort deutete die Alte auf eine Öffnung im Berg und gab ihnen zu verstehen, dass die Yetis dort hinausgingen, wenn sie Nahrung suchten. Tensing verstand, was sie ihnen sagen wollte: Es war ein Tunnel, der als Abkürzung diente. Das mysteriöse Tal lag viel näher an den von Menschen bewohnten Gegenden, als irgendwer zu träumen gewagt hätte. Tensings Pergament beschrieb den einzigen Weg, den die Lamas kannten, aber daneben gab es noch diesen geheimen Durchgang, mit dem man sich einen großen Teil der Strecke und viele Hindernisse ersparen konnte. So wie der Tunnel gelegen war, nahm Tensing an, dass er direkt im Innern des Berges nach unten und vor der Klosterburg Chenthan Dzong wieder ins Freie führte. Damit sparten sie sich zwei Drittel des Weges.
    Grr-ympr kannte nur eine Art, sich liebevoll von jemandem zu verabschieden, und das tat sie jetzt: Sie schleckte den beiden über Gesicht und Hände, bis sie vor Spucke und Rotz klebten.
    Die grausige Alte hatte ihnen kaum den Rücken gekehrt, da wälzten sich Dil Bahadur und Tensing im Schnee und schrubbten alles wieder ab. Der Meister lachte herzhaft, aber seinen Schüler schüttelte es vor Ekel.
    »Mein einziger Trost ist, dass wir die gute Frau niemals wiedersehen«, stöhnte er.
    »Niemals ist eine lange Zeit, Dil Bahadur. Vielleicht hält das Leben noch eine Überraschung für uns bereit«, antwortete der Lama und machte einen entschlossenen Schritt hinein in den engen Tunnel.

ZWEITES KAPITEL
Drei ganz erstaunliche Eier
    Etwa zur gleichen Zeit landeten auf der anderen Seite der Erde Alexander Cold und seine Großmutter Kate in New York. Alex hatte in der Amazonassonne eine Farbe bekommen wie ein Stück Tropenholz. Seine Haare waren zu einer Topffrisur geschnitten, wie sie die Indianer im Regenwald tragen, oben war eine kreisrunde Fläche ausrasiert, und dort prangte eine frische Narbe. Über seiner Schulter hing ein schmuddeliger Rucksack, und in der Hand hielt er eine Flasche mit einer milchigen Flüssigkeit. Kate Cold, die genauso braun gebrannt war wie er, hatte ihre khakifarbene Lieblingspumphose an und trug dazu klobige, schlammverschmierte Treter. Mit ihren selbstgestutzten grauen Haaren sah sie aus wie ein unlängst aus dem Schlaf gerissener Mohikaner. Sie war tatsächlich müde, nur ihre Augen blitzten lebhaft hinter den zerkratzten Brillengläsern in einem mit Klebeband zusammengehaltenen Gestell. Im Gepäck hatten die beiden ein ungefähr drei Meter langes, stabförmiges Etwas, das quer über einigen Kisten von ebenfalls wenig gebräuchlicher Größe und Form lag.
    »Haben Sie etwas zu verzollen?« Der Beamte an der Passkontrolle warf einen missbilligenden Blick auf die Frisur des Jungen und den Aufzug der Alten.
    Es war fünf Uhr morgens und der Mann genauso verschlafen wie die Passagiere des Flugzeugs, das soeben aus Brasilien eingetroffen war.
    »Nichts. Wir sind Reporter des International Geographic. Alles, was wir dabeihaben, ist Ausrüstung für unsere Arbeit«, antwortete Kate Cold.
    »Obst, Gemüse, sonstige Nahrungsmittel?«
    »Nur das Wasser des Lebens für meine Mutter, die ist krank …« Alex zeigte ihm die Flasche, die er während der ganzen Reise in der Hand gehalten hatte.
    »Einfach nicht hinhören«, sagte Kate schnell, »der Junge hat zu viel Phantasie.«
    »Was ist da drin?« Der Beamte deutete auf das lange, mit Zeitungspapier umwickelte Ding.
    »Ein Blasrohr.«
    »Ein was?«
    »So eine Art ausgehöhlte Holzstange, mit der die Indianer am Amazonas ihre Pfeile abschießen, meistens sind die vergiftet mit …« Alex hätte es dem Zollbeamten gerne erklärt, aber seine Großmutter trat ihm ans Schienbein.
    Der Mann war nicht bei der Sache und fragte nicht weiter, also erfuhr er nichts von einem Köcher mit Pfeilen und nichts von einer Kalebasse voll mit dem tödlichen Gift Curare, die zusammen in einer der Kisten steckten.
    »Sonst noch was?«
    Alex kramte in den Taschen seines Anoraks und hielt ihm drei gläserne Eier unter die Nase.
    »Was ist das?«
    »Ich glaube, es sind Diamanten«, sagte Alex und bekam auch gleich den nächsten Tritt von seiner Großmutter.
    »Diamanten! Scherzkeks! Was haben sie dir denn eingeflößt?« Der Beamte lachte gequält, stempelte die Pässe ab und

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