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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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glaubst mir nicht, Isaac, ich seh’s dir doch an«, unterbrach Kate ihren Redeschwall und kippte sich hastig noch einen Schluck Wodka in den Rachen, um einen Hustenanfall im Keim zu ersticken.
    »Du wirst sicher zugeben, dass deine Geschichte etwas ungewöhnlich ist, Kate …«
    »Und dabei habe ich dir noch gar nichts von der Bestie erzählt, einem behaarten, stinkenden Riesen, der …«
    »Schon gut, Kate, ich glaube, ich kann auf weitere Einzelheiten verzichten«, sagte der Juwelier matt.
    »Ich muss diese Brocken zu Geld machen für eine Stiftung. Ich habe meinem Enkel versprochen, dass wir damit den Nebelmenschen helfen, du weißt schon, diesen unsichtbaren Indianern, und …«
    »Unsichtbar.«
    »Naja, nicht richtig unsichtbar, Isaac, aber jedenfalls kann man sie nicht sehen. Das ist so eine Art Zaubertrick. Nadia Santos sagt …«
    »Wer ist Nadia Santos?«
    »Das Mädchen, das die Diamanten gefunden hat, das habe ich dir doch schon erzählt. Hilfst du mir, Isaac?«
    »Ich helfe dir, sofern das Ganze legal ist, Kate.«
    Und so kam es, dass der ehrbare Isaac Rosenblat zum Hüter dreier sehr erstaunlicher Diamanteier wurde; dass er sich darum kümmerte, sie in klingende Münze zu verwandeln; dass er Kate Cold bei der Gründung der Diamantenstiftung half. Er riet ihr, den Anthropologen Ludovic Leblanc zwar zum Präsidenten der Stiftung zu machen, die Kontrolle über das Vermögen jedoch nicht aus der Hand zu geben. So knüpften die beiden an ihre alte Freundschaft an, die vierzig Jahre hindurch geschlummert hatte.
    »Weißt du eigentlich, dass auch ich verwitwet bin, Kate?«, hatte er sie noch am gleichen Abend gefragt, als sie sich in einem Restaurant gegenübersaßen.
    »Du willst mir doch wohl keinen Antrag machen, Isaac. Ich habe schon ewig keine Ehemannsocken mehr gewaschen und denke gar nicht daran, noch einmal damit anzufangen.«
    Sie stießen auf die Diamanten an.
    ~
    Einige Monate später saß die spirrelige Kate in einem langen, löchrigen T-Shirt, unter dem ihre knochigen Knie, die altersverwitterten Beine und die kräftigen Füße hervorschauten, vor ihrem Computer. Wie dicke Hornissen brummten über ihrem Kopf die Flügel eines Ventilators, hatten jedoch gegen die New Yorker Sommerhitze nicht den Hauch einer Chance. Seit einiger Zeit – etwa seit sechzehn oder siebzehn Jahren – spielte Kate mit dem Gedanken, sich für die Wohnung eine Klimaanlage zuzulegen, aber bisher war sie noch nicht dazu gekommen. Der Schweiß verklebte ihr die Haare und lief ihr in Strömen den Rücken hinunter, während ihre Finger wütend in die Tasten hauten. Sie wusste zwar, dass man die eigentlich bloß leicht anzutippen brauchte, aber sie war ein Gewohnheitstier und malträtierte die Tastatur, wie sie das anno dazumal mit ihrer Schreibmaschine getan hatte.
    Neben dem Bildschirm stand eine Kanne Eistee mit Wodka, ein hochexplosives Gemisch, auf dessen Erfindung sie mächtig stolz war. Auf der anderen Seite lag ihre Seemannspfeife. Zurzeit verkniff sich Kate meistens das Rauchen, weil der Husten sie nicht in Ruhe ließ, aber auf die Gesellschaft der gestopften Pfeife verzichtete sie deshalb noch lange nicht: Der Duft nach schwarzem Tabak war besser als nichts. ›Mit fünfundsechzig kann selbst so ein Teufelsbraten wie ich nicht mehr ständig über die Stränge schlagen‹, dachte sie. Zum Gesundheitsapostel würde sie zwar auch jetzt nicht werden, aber wenn sie das Rauchen nicht einschränkte, konnte sie ihre Lunge auch gleich in den Müll tun.
    Kate war seit sechs Monaten damit beschäftigt, der Diamantenstiftung auf die Beine zu helfen, die sie zusammen mit dem berühmten Anthropologen Ludovic Leblanc gegründet hatte, den sie, nebenbei bemerkt, nicht ausstehen konnte. Diese Arbeit war ihr ein Gräuel, aber sie musste erledigt werden, sonst würde ihr Enkel Alexander niemals mehr ein Wort mit ihr sprechen. »Ich bin eine Frau der Tat, ich schreibe über Reisen und Abenteuer, ich bin doch kein Bürohengst«, schnaufte sie zwischen zwei Schlucken von ihrem Wodkaeistee.
    Neben dem Papierkrieg für die Stiftung hatte sie zweimal nach Caracas fliegen müssen, um als Zeugin im Prozess gegen den Unternehmer Mauro Carías und die Ärztin Omayra Torresauszusagen, die dafür verantwortlich waren, dass viele hundert Indianer an den Masern erkrankt und gestorben waren. Die Verhandlungen fanden ohne Mauro Carías statt, denn der vegetierte bewusstlos in einer Privatklinik vor sich hin, seit er von einem Indianer einen

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