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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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überhaupt nicht, aber mit einem Mal schien der Milchgeruch es aufzuwecken, seine Lippen bewegten sich, und es nuckelte ganz schwach an dem Stoff. Mit Gebärden forderte der Lama die Mütter auf, seinem Beispiel zu folgen.
    Es dauerte lang und war ermüdend, den Yetis beizubringen, wie sie die Chegnos melken und den Säuglingen Tropfen für Tropfen die Milch einflößen sollten. Die Yetis waren kaum in der Lage, etwas mit dem Verstand zu erfassen, und begriffen es erst, wenn man es ihnen wieder und wieder vormachte. Den ganzen Tag mühten sich Meister und Schüler damit ab, und tatsächlich wurden sie noch am gleichen Abend belohnt, als sie drei der Kleinen zum ersten Mal weinen hörten. Am nächsten Morgen schrien alle fünf und wollten gefüttert werden, schlugen kurze Zeit später die Augen auf und strampelten zaghaft.
    Dil Bahadur war so stolz, als wäre das alles seine Idee gewesen, aber Tensing hatte keine Ruhe. Es musste eine Erklärung geben für diese Krankheit. Er nahm alles in Augenschein, was sich die Yetis in den Mund stopften, fand aber keinen Hinweis, bis er selbst und sein Schüler Bauchschmerzen bekamen und Galle erbrachen. Die beiden aßen wie gewöhnlich ausschließlich Tsampa, den warmen Gerstenbrei mit Butter. Das Fleisch der Chegnos, das ihnen die Yetis anboten, rührten sie nicht an, denn sie waren Vegetarier.
    »Was haben wir zu uns genommen, das anders ist als sonst, Dil Bahadur?«, fragte der Meister, während er für beide einen Tee aufbrühte, der gegen die Bauchschmerzen helfen sollte.
    »Nichts, Meister.« Dil Bahadur war totenbleich.
    »Es muss etwas geben«, ließ Tensing nicht locker.
    »Wir haben bloß Tsampa gegessen, sonst nichts …«
    Tensing reichte ihm den Napf mit dem Tee, und Dil Bahadur, der sich vor Schmerzen krümmte, hob ihn an die Lippen. Er kam nicht mehr dazu, die Flüssigkeit zu schlucken. Er spuckte sie in den Schnee.
    »Das Wasser, Meister! Das heiße Wasser!«
    Normalerweise kochten sie ihr Wasser für die Tsampa über einem Feuer, und wenn sie kein frisches Quellwasser finden konnten, nahmen sie Schnee, aber hier im Tal hatten sie das siedende Wasser aus einem der heißen Tümpel benutzt.
    »Das ist es, was die Yetis vergiftet, Meister.« Der Prinz war sich sicher.
    Sie hatten gesehen, dass die Yetis mit dem lavendelfarbenen Wasser derselben Quelle eine Suppe aus Pilzen, Kräutern und violetten Blüten anrührten, die sie fast täglich aßen. Grr-ympr hatte mit den Jahren den Appetit verloren, aß nur alle paar Tage etwas rohes Fleisch und stopfte sich händeweise Schnee in den Mund gegen den Durst. Dieses Quellwasser musste irgendwelche Giftstoffe enthalten. In den nächsten Stunden tranken sie keinen Tropfen mehr davon, und die Übelkeit verschwand und kam nicht wieder. Um sicher zu gehen, dass sie den Grund für die Krankheit gefunden hatten, brühte sich Dil Bahadur am folgenden Tag noch einmal einen Tee mit dem verdächtigen Wasser auf und trank ihn. Wenig später musste er sich übergeben, und freute sich richtig darüber: Seine Theorie hatte sich bestätigt.
    Mit Engelsgeduld machten der Lama und sein Schüler Grrympr klar, dass sie auf gar keinen Fall das Wasser aus der lavendelfarbenen Quelle trinken oder die violetten Blumen essen durften, die das Ufer des Bachlaufs säumten. Das heiße Wasser war gut, um sich darin zu waschen, nicht zum Trinken, nicht zum Essenmachen, schärften sie ihr ein. Sie versuchten gar nicht erst, ihr etwas von mineralischer Verseuchung zu erzählen, das hätte die greise Yeti-Frau wohl doch nicht verstanden; es genügte, wenn sich die Yetis an die Anweisung hielten. Grr-ympr übernahm alles Übrige. Sie rief die Horde zusammen und verkündete das neue Gesetz:Wer dieses Wasser trinkt, wird in die kochenden Dämpfe geworfen, verstanden? Alle hatten verstanden.
    Die Yetis halfen Tensing und Dil Bahadur beim Sammeln der Heilpflanzen. Die Wochen gingen ins Land, und die beiden Besucher im Tal der Yetis konnten sehen, wie es den Kindern von Tag zu Tag besser ging und wie auch die Erwachsenen langsam wieder zu Kräften kamen, während die violette Verfärbung ihrer Zungen verschwand.
    Schließlich war es Zeit, Abschied zu nehmen, und Grr-ympr begleitete sie höchstpersönlich. Sie sah, wie die beiden auf die Schlucht zusteuerten, zögerte, weil sie selbst ihren guten Göttern das Geheimnis der Yetis nicht ohne weiteres verraten wollte, zog sie aber schließlich doch in die entgegengesetzte Richtung. Der Lama und der Prinz folgten ihr

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