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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Kopie), das in Scheiben geschnittene, in Formalin dümpelnde Gehirn von Albert Einstein, die Originalmanuskripte des großen Philosophen Averroes, eine vom Hals bis zu den Füßen tätowierte Menschenhaut, einige Steine vom Mond, eine Atombombe, das Schwert Karls des Großen, das geheime Tagebuch von Napoleon Bonaparte, mehrere Knochen der Heiligen Cäcilia und das Rezept für Coca-Cola.
    Jetzt war der Multimilliardär hinter einem der erlesensten Schätze der Welt her, von dessen Existenz kaum jemand wusste und zu dem nur eine einzige lebende Person Zugang hatte. Es ging um einen mit Edelsteinen besetzten goldenen Drachen, den seit eintausendachthundert Jahren nur die gekrönten Häupter eines kleinen unabhängigen Königreichs inmitten des Himalaja zu Gesicht bekommen hatten. Mysteriöse Geschichten rankten sich um diese Statue, von einem Fluch war die Rede und von uralten, vertrackten Sicherheitsvorrichtungen, durch die er geschützt wurde. In Büchern und Reiseführern fand man kaum mehr als vage Vermutungen über dieses Objekt, jedoch besaß das British Museum eine ziemlich detaillierte Beschreibung. Außerdem hatte ein chinesischer General nach dem Einmarsch in Tibet in einem Kloster ein altes Pergament entdeckt, auf dem eine Skizze des Drachen zu sehen war.
    Bis die Chinesen 1950 Tibet überfielen, hatte der Thronfolger aus dem Reich des Goldenen Drachen zwischen seinem sechsten und zwanzigsten Lebensjahr in diesem Kloster eine besondere Ausbildung erhalten. Über Jahrhunderte hatte man dort dieHandschriften verwahrt, aus denen hervorging, welche Eigenschaften jenes seltene Objekt besaß und wie man es nutzen konnte, alles Dinge, die der Prinz lernen musste. Der Legende zufolge handelte es sich bei dem Drachen nicht einfach um eine wertvolle Statue, sondern um ein kunstvoll gefertigtes Orakel, das einzig vom rechtmäßigen König dazu benutzt werden durfte, sein Land vor Fährnissen aller Art zu bewahren. Vom Wetter, das über die künftige Ernte entschied, bis hin zu den kriegerischen Plänen der Nachbarstaaten enthüllte der Drache dem König die Zukunft. Dank dieser Offenbarungen und der Weisheit seiner Herrscher hatte das winzige Königreich jahrhundertelang in bescheidenem Wohlstand gelebt und war vollkommen unabhängig geblieben.
    ~
    Dass die Drachenstatue aus Gold war, spielte für den Sammler keine Rolle, Gold hatte er, so viel er wollte. Ihn interessierten einzig die magischen Fähigkeiten des Drachen. Er hatte dem chinesischen General ein Vermögen für das geraubte Pergament gezahlt und es übersetzen lassen, denn ohne die Gebrauchsanweisung konnte er ja mit der Statue nichts anfangen. Die Äuglein des Multimilliardärs blitzten hinter den Glasbausteinen in seinem Brillengestell, als er daran dachte, dass er die Weltwirtschaft beherrschen würde, sobald er dieses seltene Objekt in seiner Gewalt hatte. Er würde die zukünftigen Schwankungen der Aktienkurse kennen, würde seinen Konkurrenten immer einen Schritt voraus sein und so seine Milliarden vervielfachen. Es wurmte ihn wahnsinnig, der zweitreichste Mann der Welt zu sein.
    Der Sammler wusste, dass nach der chinesischen Invasion in Tibet Tausende Tibeter, darunter auch ihr geistliches Oberhaupt, der Dalai Lama, aus dem Land geflohen waren. Viele Klöster waren damals zerstört und viele Mönche ermordet worden, dem Thronfolger aus dem Reich des Goldenen Drachen aber war die Flucht über die Berge geglückt, und er war, als Bauer verkleidet, bis nach Nepal und von dort aus unerkannt weiter in sein Land gereist.
    Die tibetischen Lamas hatten seine Ausbildung nicht zu Ende bringen können, und sein Vater, der damalige König, übernahmdiese Aufgabe fortan persönlich. Jedoch konnte er seinem Sohn nicht die gleiche umfassende geistige und spirituelle Unterweisung bieten, die er selbst in seiner Jugend erhalten hatte. Als die Chinesen das tibetische Kloster überfielen, hatten die Mönche dem Prinzen noch nicht das Auge in der Stirn geöffnet, mit dem man die Aura eines Menschen sehen und seinen Charakter und seine Absichten erkennen kann. Auch in der Kunst des Gedankenlesens war die Ausbildung keineswegs abgeschlossen. Nichts von alldem konnte sein Vater ihn lehren, dennoch wurde der Prinz ihm schließlich ein würdiger Thronerbe. Er hatte tiefe Einblicke in die Lehren Buddhas, und mit den Jahren zeigte es sich, dass er genügend Autorität besaß, um das Land zu regieren, genügend Lebenserfahrung, um Gerechtigkeit walten zu lassen, und genügend

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